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Der etwas andere Jahresausblick 2023

„Alles nichts ohne“

Dienstag, 7. Januar 2020 in Deutschland. Auf dem Weg nach Hause die FAZ aus der Agentur eingesackt und in der S-Bahn gelesen. Kurz vorm Ziel am ganzseitigen Artikel „Laborsteak im Klimahaus“ auf der letzten Seite hängen geblieben. In dem geht es um den Ausblick und die Voraussage von technischen Entwicklungen – vom Wasserstoff über aktive Gebäude bis hin zu intelligenten Implantaten. Für interessant befunden, aufgeboben und am nächsten Morgen an die Pinnwand vor dem Schreibtisch geheftet. Mal sehen, was daraus in Zukunft wird.
20 Tage später sieht die Zukunft ungewohnt anders aus. Corona ist in Deutschland angekommen und andere, mehr als herausfordernde Dinge werden noch folgen – auch wenn das damals noch keiner ahnen konnte. Oder doch?

Freitag, 16. September 2022. Büro auf Vordermann gebracht, den Altpapierbehälter ordentlich gefüttert und den Artikel von der Pinnwand genommen. „Was ist von all den dort genannten Zukunftsaussichten wohl geblieben?“, frage ich mich, während ich auch diesen Artikel dem Wertstoffkreislauf zuführe. Wasserstoff ist zwar ein Thema, aber die deutsche Stahlindustrie ist nicht in der Lage es selbst, ganz ohne massive Staatshilfe, auf die Kette zu kriegen. Aktive Gebäude … auch die brauchen Geld und das ist mittlerweile bei den hochverschuldeten Immobilienkonzernen und steigenden Zinssätzen Mangelware. Last but not least: intelligente Implantate. Klar, wer es sich leisten kann. Aber wo einsetzen lassen, wenn die Deutsche Krankenhausgesellschaft in den letzten Wochen mitteilt, dass 60 % aller Krankenhäuser existenzgefährdet sind?

In dieser für uns alle herausfordernden Gemengelage tut sich die Frage auf, ob nicht der Kommunikation eine zentrale Rolle zukommt. Vielleicht sogar die zentralste Rolle seit sehr, sehr langer Zeit. Was Kommunikation bewirken kann, auch in scheinbar unlösbaren Situationen, macht uns ja seit März 2022 ein Komiker vor, der Präsident wurde.

Also ran an die Zukunftsvorhersagen für 2023. Was haben wir auf dem Zettel, pardon Bildschirm? Ich hätte da einmal vier Themen im Angebot …

Was Kommunikation bewirken kann, auch in scheinbar unlösbaren Situationen, macht uns ja seit März 2022 ein Komiker vor, der Präsident wurde.

… in 2023 geht es weiter mit den Aspekten CSR (Corporate Social Responsibility) und ESG (Environmental, Social and Governance). Dazu gesellen sich in beiden Ecken zwei stärker werdende Gegner: die einen nehmen unter dem Vorwurf des Greenwashings im Detail alles, was auf CSR und ESG lautet, auseinander, die anderen ziehen ihre Gelder aus nachhaltigen Unternehmen ab –  vorausgesetzt, die Rendite stimmt nicht. Oder das Reputationsrisiko bei Greenwashing-Vorwürfen ist – wenn auch unberechtigt – höher als die paar Punkte Rendite. In beiden Fällen unterwerfen sie alles einem Faktencheck und das oft mit Hilfe der Crowd. Kommunikation tut eben gut daran, neben schönen Worten und Bilder auch die Daten und Zahlen griffbereit zu haben. Am besten in Echtzeit.

 

Kommunikation tut eben gut daran, neben schönen Worten und Bilder auch die Daten und Zahlen griffbereit zu haben. Am besten in Echtzeit.

… vielleicht mehr als zuvor muss in 2023 über Geld geredet werden. Und zwar nicht nur von börsennotierten Unternehmen im Rahmen ihrer Investor Relations. Über Geld zu reden wird für den Mittelstand wichtiger denn je. Knappe Liquidität und finanzielle Reserven bei steigenden Zinsen können Unternehmen in Schieflage bringen. Andererseits müssen neue Geldquellen jenseits der Banken angezapft werden. Beispiel Schweden: Dort setzen hochverschuldete Immobilienunternehmen neben den klassischen Hypothekendarlehen der Banken auf andere Finanzierungsarten, wie bspw. US-Privatplatzierungen. Die Zeiten, in denen das Marketing auf allen Kanälen behaupten konnte, dass ein tolles oder günstiges Produkt der Beweis für die Zukunftsfähigkeit des dahinterstehenden Unternehmens ist und ein Grund zum Investieren wäre, sind vorbei.

Die Zeiten, in denen das Marketing auf allen Kanälen behaupten konnte, dass ein tolles oder günstiges Produkt der Beweis für die Zukunftsfähigkeit des dahinterstehenden Unternehmens ist und ein Grund zum Investieren wäre, sind vorbei.

… und es wird auch in 2023 gesucht: Personal. Employer Branding und Recruitment wird auch wie schon in 2022 einen großen Teil der Kommunikation bestimmen. Keine Branche wird davon verschont bleiben. Natürlich bei gleichzeitiger Steigerung der Anforderungen an Mitarbeiter:innen. Darauf reagieren die HR-Abteilungen mit People Analytics, zunehmender Ausweitung der Digitalisierung von HR-Prozessen, Anbieten von Remote-Arbeit und E-Learning-Tools zur Weiterbildung. Bringt es das? Geht da nicht was verloren? Das wortwörtlich „Zwischen­mensch­liche“? Denn wenn Menschen arbeiten, interagieren sie gern direkt mit anderen Menschen. Analog. Ja, tatsächlich von Angesicht zu Angesicht. Sie wollen das. In Zeiten wie diesen ist ein Team, das sich versteht, Gold wert. Und wenn mal in den HR-Abteilungen mehr Menschen den Mut hätten, Quereinsteiger:innen eine Chance zu geben, könnten sich für alle neue Möglichkeiten ergeben. Die angelsächsischen Länder sind da schon längst weiter.

Und wenn mal in den HR-Abteilungen mehr Menschen den Mut hätten, Quereinsteiger:innen eine Chance zu geben, könnten sich für alle neue Möglichkeiten ergeben.

… Krisen machen in 2023 keine Pause. Aber haben sie das jemals getan? Dauereinsatz für die Interne Kommunikation. Was heißt das konkret? Nicht mehr, aber vor allem auch nicht weniger, als die eigenen Leute bei der Stange zu halten. Was in den USA mit „The Great Resignation“ in 2021 und 2022 startete, wird auch hier ankommen. Den Mitarbeiter:innen spielt dabei die Demografie in die Hände. Sie werden einfach dringend benötigt. Schon mal darüber nachgedacht, wieviel Prozent die zukünftigen und jungen Mitarbeiter:innen – also die 15 bis 25-jährigen – in der Gesamtbevölkerung ausmachen? Ganze 10,0 % (Stand 2022). Seit 1950 gab es nie weniger. Heißt für die Interne Kommunikation: kümmern, kümmern, kümmern. Und mehr denn je den Flur-, pardon Teams-Funk abhören. Wer seine Teams aus dem Blick verliert, sich nicht ihre Sorgen in einer immer komplexer werdenden Welt anhört, verliert Personal. Und bevor man wieder alles digital abwickeln will … manchmal, liebe Führungskräfte, reicht auch ein kurzes und vor allem persönliches Gespräch. Am besten bringen Sie den Mitarbeiter:innen mal einen Kaffee mit. Denn wer das, was er sagt, auch selber vorlebt, schafft …

Heißt für die Interne Kommunikation: kümmern, kümmern, kümmern. Und mehr denn je den Flur-, pardon Teams-Funk abhören. Wer seine Teams aus dem Blick verliert, sich nicht ihre Sorgen in einer immer komplexer werdenden Welt anhört, verliert Personal.

… ja was schafft er denn eigentlich damit? Ganz einfach, es ist Vertrauen. Alle vier Beispiele sind ohne Vertrauen als Grundlage nicht möglich. Kommunikation in 2023 wird – egal wo und auf welche Art und Weise auch immer, digital oder analog – scheitern, wenn sie nicht Vertrauen schaffen, sichern und ausbauen kann. Ach übrigens, vor 2000 Jahren hat mal ein Kind, das in einem Bettchen nicht größer als ein Amazon-Versandkarton lag, gesagt: „Vertraut mir“. Denn ohne Vertrauen ist alles nichts. In diesem Sinne: ein gutes, erfolgreiches und vertrauensvolles Jahr 2023.

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