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fin.tank Dossier – Employer Branding in der Finanzbranche

Mehr als bunte Bilder

Auf dem Arbeitsmarkt tobt ein Kampf um gutes Personal. Der Begriff der „Arbeiterlosigkeit“ macht mehr und mehr die Runde. Die Branchen, an die man in puncto Notstand schnell denkt: Handwerk und Pflege. Doch nahezu alle Branchen sind von der Arbeiterlosigkeit betroffen. Drastisch verschärft hat sich der Personalmangel in der jüngeren Vergangenheit vor allem in der Finanzbranche. Woran das liegt und wie Banken und Versicherungen darauf reagieren können, zeigen wir im neuen fin.tank-Dossier.

fin.tank ist eine Kooperation von komm.passion und weber.advisory, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Finanz­dienst­leistungs­unternehmen gemeinsam bei Heraus­for­derungen in den Bereichen Change, Kommunikation und Leadership zu unterstützen.

Mitte August berichtete das Handelsblatt über eine große Studie. Die Überschrift: „Mehr als 65.000 offene Stellen: Banken sind verzweifelt auf Personalsuche“. Weiter heißt es, dass sich der Fachkräftemangel in der Branche drastisch verschärft habe und auch im klassischen Filialgeschäft immer weniger Mitarbeitende gefunden werden können. So ringen Banken aktuell nicht nur mit den anderen Mega-Themen unserer Zeit – Zinswende, drohende Rezession, Nachhaltigkeit oder Digitalisierung zum Beispiel – sondern auch mit einem massiven Personalmangel. Und dieser hat direkt Einfluss auf Geschäft und Erfolg. Dementsprechend rangiert dieser Personalmangel bei vielen Banken auf Platz 1, wenn es um die Themen geht, die am dringendsten gelöst werden müssen.

Mangel in allen Bereichen

Erstaunlicherweise sind laut der Studie fast alle Bereiche von Personalnot betroffen. Besonders groß sei diese in Ausbildungsberufen zu Bankkaufmann und Bankkauffrau sowie in den Bereichen IT, Finanz- und Rechnungswesen wie Controlling. Aber auch im Vertrieb sowie in Unternehmensführung und Management werden Fachkräfte dringend gesucht. Feststeht: Auch andere Branchen haben mit dem Personalmangel zu kämpfen, der unter anderem durch den demografischen Wandel beschleunigt wird. Nicht sonderlich anders sieht die Situation in der Assekuranz aus. Der rasante Anstieg der Personalnot in der gesamten Finanzbranche hat nicht nur externe Gründe – die Ursachen liegen nicht selten auch bei den Unternehmen selbst.

Sparkurse der jüngeren Vergangenheit, Skandale und negative Berichterstattung oder Nachhaltigkeits-Aktivitäten, die oft eher wie „grüne Tünche“ wirkten haben dem Image von Banken geschadet (mehr dazu im fin.tank-Dossier „Nachhaltigkeit in der Finanzbranche“). Und nun stehen viele Finanzdienstleister ohne ausreichend Personal da – und das in einer Zeit, die für die Finanzbranche ohnehin schon von enormen Herausforderungen und Veränderungen geprägt ist.

Der Personalmangel rangiert bei vielen Banken auf Platz 1, wenn es um die Themen geht, die am dringendsten gelöst werden müssen. Und das trotz der zahlreichen weiteren großen Veränderungen und Herausforderungen in der Branche.

Employer Branding als Ausweg?

Was also tun? Viele Finanzinstitute beantworten die Frage sehr gerne mit einer neuen Employer Branding Kampagne. Das ist gut und richtig, muss aber auch gut und richtig gemacht werden. Und: Bei aller Euphorie, die das Themenfeld Employer Branding in jüngerer Vergangenheit erfährt, darf man nie vergessen, dass es weder alleinige Lösung noch Heiliger Gral ist. Gut umgesetzt kann es im „war for talents“ trotzdem entscheidende Vorteile bringen. Worauf also ist zu achten?

 

1. Intern vor Extern

Ja – die Personalnot ist groß. Daher liegt es nahe, die volle Energie ins Recruiting zu stecken, um möglichst schnell die offenen Stellen besetzen zu können. Aber: Employer Branding sollte immer mit Retaining starten – dem Binden von Mitarbeitenden ans eigene Unternehmen. Beim Blick in die Finanzbranche stellen wir nämlich fest: Banker:innen mit Leidenschaft werden immer seltener. Darunter leidet die Motivation und die Fluktuation steigt (wir sprachen bereits ausführlich im fin.tank-Dossier „Ohne Veränderungsfähigkeit kein Erfolg“ darüber). Daher gilt für alle Employer Branding Aktivitäten: Sie müssen intern starten, die eigenen Mitarbeitenden abholen und einbeziehen und auch den bestehenden Kolleginnen und Kollegen neue Angebote und Anreize setzen. Mitarbeitende mit einer hohen Identifikation mit dem eigenen Unternehmen sind erfahrungsgemäß leistungsbereiter und auch wirkungsvoller. Zudem sind sie gerne bereit, den eigenen Arbeitgeber potenziellen Mitarbeitenden zu empfehlen. Kaum etwas ist glaubwürdiger als die Empfehlung eines bereits bestehenden Mitarbeitenden.

 

2. Kultur als Erfolgsfaktor

Wer intern anfängt, mit Mitarbeitenden aus allen Bereichen spricht, Umfragen durchführt und Menschen mitnehmen möchte, wird schnell auf die eigene – tatsächliche – Unternehmenskultur stoßen. Diese kann (und tut das auch sehr regelmäßig) weit von dem abweichen, was man in eigenen Leitbildern oder Cultural Frameworks festgehalten hat. Sollte das der Fall sein, ist es Zeit für einen internen kulturellen Wandel. Denn wäre die echte Unternehmenskultur häufiger so, wie in Leitbildern beschrieben, träfe man sicherlich auf mehr „Banker mit Leidenschaft“.

Wir sehen also an den ersten beiden Punkten: Employer Branding ist keine Frage von bunten Bildern und lustigen Kampagnen. Employer Branding ist ein echtes Kultur- und Steuerungsthema und beginnt immer im eigenen Haus. Damit ist Employer Branding ein Top-Management-Thema.

 

3. Authentisch bleiben und Zielgruppen verstehen

Vor allem bei der Ansprache der Generation Z neigt man schnell dazu, möglichst jung, modern und hip zu wirken. Für die Zielgruppe der Gen Z kann das aber eher „cringe“ wirken. Denn – im Gegensatz zu allgemeinen Vorurteilen – zeigen viele Studien, dass die Gen Z nicht nur auf Tischkicker und Mini-Bars im Büro wert legt, sondern auf ganz klassische Attribute, für die Banken früher standen: Sicherheit. So zeigt die Shell-Jugendstudie regelmäßig, wie wichtig ein „sicherer Job“ und „sicheres Einkommen“ für diese Generation sind. Bei der Frage danach, welche Botschaften man in seiner Employer Branding Kampagne nach vorne stellt, geht es also um den größten gemeinsamen Nenner aus: „Was kann ich von mir sagen, ohne meine Authentizität zu verlieren“ und „Welche Bedürfnisse hat meine Zielgruppe am Arbeitsmarkt in einem bestimmten Bereich?“. Hier ist eine saubere Stakeholder-Analyse Pflicht. Diese deckt nicht nur die bereits geschilderte interne Situation ab, sondern erhebt auch systematisch und genau die Zielgruppen am Arbeitsmarkt, um diese wirklich zu verstehen.

Employer Branding ist keine Frage von bunten Bildern und lustigen Kampagnen. Employer Branding ist ein echtes Kultur- und Steuerungsthema und beginnt immer im eigenen Haus.

4. Einen Kern definieren und konsequent umsetzen

Auch wenn sich die Zielgruppen unterscheiden können, darf es nicht für jede Zielgruppe eine ganz eigene Kampagne geben. Das würde die eigene Positionierung als Arbeitgeber unscharf machen und die Differenzierung zu Wettbewerbern am Arbeitsmarkt würde darunter leiden. Es geht daher im Prozess darum, einen starken Kern zu entwickeln, aus dem heraus sich unterschiedliche Botschaften für unterschiedliche Zielgruppen ableiten lassen. Eben eine echte Employer Value Proposition (EVP) zu definieren und konsequent intern und extern umzusetzen. Konsequent umsetzen meint hier ausdrücklich nicht nur in puncto Kommunikation, sondern auch in weitergehenden Maßnahmen: Intern muss sich das beispielsweise in Führungsverhalten, Benefits und Arbeitsweise widerspiegeln. Extern zum Beispiel auch in der Art und Weise des Bewerbungsprozesses. Zudem sollten die Aussagen des Personalmarketings mit denen des allgemeinen Marketings synchronisiert sein.

 

5. Daher immer ans Image denken

Externe Kampagnen im Bereich Employer Branding sind immer auch in Teilen Image-Kampagnen. Das muss man wissen und aktiv bedenken. Meine EVP und meine Aktivitäten im Bereich Employer Branding zahlen also immer auch sehr direkt auf meine Marke und mein Unternehmen als solches ein. Die Employer Brand sollte sich demnach entsprechend konsequent aus der eigenen Markenführung und Unternehmenspositionierung ableiten.

 

6. Schnittstellenfunktion

Wir sehen an all diesen Punkten, wie weitreichend Employer Branding ins Unternehmen eingreift. Es betrifft sehr direkt die HR-Abteilung, die Kommunikation und das Marketing, aber wenn es um Kulturfragen und strategische Entscheidungen geht, auch das Top-Management. Employer Branding sollte im Unternehmen daher immer als Schnittstellenfunktion betrachtet und nie losgelöst in nur einer Abteilung bearbeitet werden.

Wenn wir über ernstgemeintes Employer Branding reden, dann reden wir über ernsthafte Auswirkungen und Veränderungen im Unternehmen. Ein Unternehmen vom Markt her zu führen ist seit Jahrzehnten Standard und wesentlicher Erfolgsfaktor für Unternehmen in der Marktwirtschaft. Doch in Zukunft wird es immer mehr darum gehen, ein Unternehmen auch vom Arbeitsmarkt her zu führen. Eine weitere tiefgreifende Aufgabe für eine Branche im Wandel.

 

Sie sind neugierig geworden und möchten mehr über unseren Ansatz erfahren? Dann sprechen Sie uns gerne direkt an. Wir freuen uns auf die Diskussion mit Ihnen und auf die Entwicklung gemeinsamer für Sie passender Lösungsansätze.

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