Güttler: Führen anspruchsvolle Aufgaben und Dezentralität im Homeoffice damit automatisch in agilere Strukturen?
Mirkovic: Bei allem, was wir beobachten: Ja! Man kann mit einem Augenzwinkern sagen, wir erleben so etwas wie die „Zwangsagilisierung“ der deutschen wie europäischen Wirtschaft. Zumindest im Büro, Beratung und Verwaltung.
Güttler: Wird das nicht ein riesiges Kulturthema?
Mirkovic: Das ist es schon. Führung geschieht weniger durch Status, sondern über das Coaching verschiedener Teams. Führungskräfte müssen Vertrauen lernen, Entscheidungsmacht teilen. Wer es sich in einer Nische bequem gemacht hatte, wird feststellen, dass andere hineinschauen. Und wir müssen auch die mitnehmen, die eher genaue Anweisungen brauchen. Auch Eigenständigkeit will gelernt werden. Unternehmenskulturen verändern sich so automatisch – ob sie wollen oder nicht.
Güttler: Aber wenn ich eine starke Unternehmenskultur habe, wie soll ich die dann erhalten?
Mirkovic: Ich würde lieber von einer passenden Kultur sprechen. Wenn sich Umstände verändern, müssen wir uns anpassen. Wer dann schnell tut, hat die besten Chancen im Wettbewerb. Wenn also Flexibilität, Eigenverantwortung, Teamarbeit, Transparenz und auch ein gesunder Leistungswettbewerb schon immer bei Ihnen großgeschrieben wurden, dann spricht vieles dafür, dass Sie top aufgestellt sind für die Herausforderungen der Zukunft. Wenn nicht, ist es vermutlich Zeit, Veränderungen sehr aktiv anzugehen. Corona ist zwar ein Booster für IT und agile Strukturen. Nur lässt die schwierige wirtschaftliche Lage Budgets auch schrumpfen. Dann spricht sehr viel für mehr Geschwindigkeit, Umbrüche und hohen Anpassungsdruck.
Güttler: Ist nicht Stolz auf das eigene Unternehmen weiter ein ganz wichtiger Motivator?
Mirkovic: Ja, genauso wie ein eindeutiges Wir-Gefühl. Da kann man auch weiter eine Menge für tun. Und das machen wir gerade auch an vielen Stellen. Wertschätzung kann unterschiedlich ausgedrückt werden. Nur auch hier Klartext. Wenn Unternehmen schwerfällige Strukturen haben, wird sie Stolz nicht retten. In meinem Zimmer bin ich nur bedingt die Allianz oder Mercedes. Die Insignien der Macht und Hausschuhe vertragen sich nicht. Stolz will erarbeitet sein, täglich in der Zusammenarbeit, nicht durch Vergünstigungen, sondern durch Fördern und Fordern. Ein Wettbewerb immer neuer Goodies ist komplett sinnlos. Eine Kultur, in der ich die Möglichkeiten meines Unternehmens aktiv nutzen, in der ich mein Unternehmen egal auf welcher Hierarchiestufe mit formen kann, kann ein Riesenanreiz sein. Und natürlich nehme ich aufgebautes Vertrauenskapital auch ins HO mit. Meine These nur: Wir müssen da noch kontinuierlicher dran arbeiten.