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Auswirkungen von Mobile Office und Remote Work auf die Unternehmenskultur

Das Team(s)gefühl – Unternehmenskultur in Zeiten von Teams, Zoom und Co.

© komm.passion

Unternehmenskultur ist nicht gleich Unternehmenskultur – das zeigt sich gerade jetzt. Im Gespräch diskutieren Geschäftsführer Prof. Dr. Alexander Güttler und Managing Partner Jelena Mirkovic, welche Auswirkungen das räumlich getrennte Arbeiten auf das Teamgefühl und die Unternehmenskultur hat – und welche Faktoren das „System dahinter“ positiv prägen. 

Güttler: Was meint eigentlich „Teamsgefühl“, was passiert, wenn die Leute jetzt zu Hause sitzen und nur über den Bildschirm kommunizieren?

Mirkovic: Da passiert tatsächlich etwas ganz Neues und das kann auch irritieren. Über welche Technologie man da agiert, ist allerdings zweitrangig. Das Phänomen ist gleich: Meine Kontakte und Interaktionen sind rein virtuell. Ich kann nicht mehr von Büro zu Büro gehen und mit den Menschen sprechen. Ich rede in die Kiste vor mir, mal ist man allein, dann wieder in endlosen Videokonferenzen bis einem der Rücken weh tut. Und dann ist es da noch viel schwieriger, die Menschen zu decodieren.

 

Güttler: „Decodieren“ – ein gutes Stichwort, sind wir in einer Videokonferenz anders als im echten Leben?

Mirkovic: Definitiv, ja. Das läuft anders. Zumindest noch. Wenn nur zwei miteinander sprechen, dann ist das recht normal: Telefon mit Bildschirm. In Meetings dagegen fehlt eine Menge an Feedback. In einem Raum sieht und spürt man die Reaktionen. Virtuell sieht man bei größeren Runden jetzt oft in viele Pokerfaces – wenn überhaupt die Kameras an sind. Gerade wenn man präsentiert, fehlen oft die Reaktionen. In der kleinen Bilderleiste sehe ich auch immer nur eine kleine Anzahl der Teilnehmer insgesamt. Wer hat eigentlich gesagt, dass man bei Videokonferenzen möglichst unbeweglich bleiben und keine Reaktionen zeigen soll?

 

Güttler: Und was kann man da machen?

Mirkovic: Nachfragen, Feedback offen und direkt einfordern, alle bitten, zumindest die Kamera anzulassen, damit man weiß, dass da zumindest noch Menschen im Äther sind. Selbst Reaktionen und Zeichen – Daumen hoch, Klatschen – geben. Und darüber hinaus auch Arbeitszeiten wie Pausen akzeptieren. Homeoffice (HO) oder mobiles Arbeiten meint nicht 24/7 Verfügbarkeit.

 

Güttler: Also vor allem ein schwieriger Lernprozess?

Mirkovic: Keineswegs. Für mich überwiegen die Vorteile ganz deutlich, aber wir sollten nichts beschönigen. Voraussetzung ist ein ruhiger Ort und eine vernünftige IT. Bei vielen Aufgaben, die man in Ruhe machen muss, ist HO unschlagbar. Auch für Eltern schafft das oft eine unschlagbare Flexibilität. Einen nicht unerheblichen Teil, den White Collar Arbeit ausmacht, lässt sich ins HO übertragen. Und das dauerhaft. In das „Wie“ lernen wir uns gerade hinein. Und wir genießen Zeitgewinne, auch weil wir deutlich weniger reisen.

Güttler: Das Ende der Dienstreise als Statussymbol mit Vielfliegerkarte?

Mirkovic: Im Grundsatz schon. Das wird auch nicht mehr ganz zurückkommen. Wir sparen alle viel Zeit und Geld durch den Ausfall von Dienstreisen. Und da sind dann noch die erheblich positiven Effekte für die Umwelt. Natürlich gilt hier aber das Gleiche wie intern. Wir sind Menschen und wir wollen uns persönlich kennenlernen und austauschen, zumindest an den ganz wichtigen Punkten. Aber viele der Meetings der Vergangenheit waren nicht unbedingt nötig.

 

Güttler: Das Homeoffice bleibt zumindest teilweise dauerhaft, aber die Zukunft ist hybrid?

Mirkovic: Eindeutig ja. Corona hat die Digitalisierung enorm beschleunigt und wir Menschen erarbeiten uns gerade das, was „New Work“ wirklich sein kann. Das verändert zentral die Herausforderungen für Unternehmen und jeden Einzelnen. Als Unternehmen muss ich sicherstellen, dass die Menschen einen Zugriff auf all das haben, was sie für ihre Arbeit brauchen und auch extern mit ihren Zielgruppen bzw. Ansprechpartnern weiter kommunizieren können. Als Einzelner muss ich mir meine Arbeit eigenständiger organisieren. Da steht keiner neben mir oder kommt in mein Büro rein. Und überbordende Videokonferenzen – gerne auch international – sind die neuen Zeitfresser. Abstimmungen und Prozesse müssen vieler Orten neu definiert oder zumindest angepasst werden.

 

Güttler: In der Kritik hört man vor allem von der Angst Kontrollmöglichkeiten zu verlieren?

Mirkovic: Ich sehe dahinter ein sehr grundsätzliches Misstrauen. Vermutlich denken diese Führungskräfte: Ich sehe meine Mitarbeiter nicht, kann nicht mehr durch die verglasten Türen schauen, also werden die wohl weniger arbeiten. Vermutlich wird das sogar manchmal stimmen. In der Kommunikationsbranche mit sehr gut ausgebildeten und häufig intrinsisch motivierten Menschen scheint mir das weniger das Problem. Wer eine Hochschule hinter sich hat, der sollte eigenständig arbeiten können und sehr viel ist in der Corona Umstellung richtig gut gelaufen. Gerade da, wo dann mal was nicht geklappt hat, haben sich die Menschen eigene Bypässe oder Work Arounds geschaffen. Da haben viele von selbst Verantwortung übernommen. Nach IT-Umstellungen und viel geglückter Improvisation lernen wir nun, dass das System dahinter entscheidet.

 

Güttler: Das „System dahinter“ entscheidet?

Mirkovic: Die Software, Laptops und der Zugriff auf Daten von zuhause ist nur der Anfang. Wer vor Corona schon in agilen Strukturen gearbeitet hat, ist enorm im Vorteil. Denn es stimmt: Die alten zentralen und mehr oder minder hierarchischen Strukturen waren schon oft im Büro ein Problem, im dezentralen Homeoffice klappen sie erst recht nicht mehr. Agil meint, dass die Verantwortung möglichst nah an die operative Aufgabe heranrückt, dass die Transparenz und damit der Leistungsanspruch sehr hoch sind. Und dass individuelle Freiräume und individuelle Verantwortung die zwei Seiten derselben Medaille sind. Kontrolle wird nicht weniger, sie liegt nur bei mehr einzelnen Verantwortungsträgern mit klar definierten Aufgaben. Die Aufgaben in der Kommunikationsbranche eignen sich perfekt für agile Ansätze. Wir bieten hier selbst mit dem 3A-Modell ein pragmatisches wie anpassungsfähiges Modell. Ziel ist mehr Leistung – und Spaß – durch transparentes Empowerment und effizientere Projektorganisation.  

„Man kann mit einem Augenzwinkern sagen, wir erleben so etwas wie die ,Zwangsagilisierung‘ der deutschen wie europäischen Wirtschaft.“

Jelena Mirkovic

Güttler: Führen anspruchsvolle Aufgaben und Dezentralität im Homeoffice damit automatisch in agilere Strukturen?

Mirkovic: Bei allem, was wir beobachten: Ja! Man kann mit einem Augenzwinkern sagen, wir erleben so etwas wie die „Zwangsagilisierung“ der deutschen wie europäischen Wirtschaft. Zumindest im Büro, Beratung und Verwaltung.

 

Güttler: Wird das nicht ein riesiges Kulturthema?

Mirkovic: Das ist es schon. Führung geschieht weniger durch Status, sondern über das Coaching verschiedener Teams. Führungskräfte müssen Vertrauen lernen, Entscheidungsmacht teilen. Wer es sich in einer Nische bequem gemacht hatte, wird feststellen, dass andere hineinschauen. Und wir müssen auch die mitnehmen, die eher genaue Anweisungen brauchen. Auch Eigenständigkeit will gelernt werden. Unternehmenskulturen verändern sich so automatisch – ob sie wollen oder nicht.

 

Güttler: Aber wenn ich eine starke Unternehmenskultur habe, wie soll ich die dann erhalten?

Mirkovic: Ich würde lieber von einer passenden Kultur sprechen. Wenn sich Umstände verändern, müssen wir uns anpassen. Wer dann schnell tut, hat die besten Chancen im Wettbewerb. Wenn also Flexibilität, Eigenverantwortung, Teamarbeit, Transparenz und auch ein gesunder Leistungswettbewerb schon immer bei Ihnen großgeschrieben wurden, dann spricht vieles dafür, dass Sie top aufgestellt sind für die Herausforderungen der Zukunft. Wenn nicht, ist es vermutlich Zeit, Veränderungen sehr aktiv anzugehen. Corona ist zwar ein Booster für IT und agile Strukturen. Nur lässt die schwierige wirtschaftliche Lage Budgets auch schrumpfen. Dann spricht sehr viel für mehr Geschwindigkeit, Umbrüche und hohen Anpassungsdruck.

 

Güttler: Ist nicht Stolz auf das eigene Unternehmen weiter ein ganz wichtiger Motivator?

Mirkovic: Ja, genauso wie ein eindeutiges Wir-Gefühl. Da kann man auch weiter eine Menge für tun. Und das machen wir gerade auch an vielen Stellen. Wertschätzung kann unterschiedlich ausgedrückt werden. Nur auch hier Klartext. Wenn Unternehmen schwerfällige Strukturen haben, wird sie Stolz nicht retten. In meinem Zimmer bin ich nur bedingt die Allianz oder Mercedes. Die Insignien der Macht und Hausschuhe vertragen sich nicht. Stolz will erarbeitet sein, täglich in der Zusammenarbeit, nicht durch Vergünstigungen, sondern durch Fördern und Fordern. Ein Wettbewerb immer neuer Goodies ist komplett sinnlos. Eine Kultur, in der ich die Möglichkeiten meines Unternehmens aktiv nutzen, in der ich mein Unternehmen egal auf welcher Hierarchiestufe mit formen kann, kann ein Riesenanreiz sein. Und natürlich nehme ich aufgebautes Vertrauenskapital auch ins HO mit. Meine These nur: Wir müssen da noch kontinuierlicher dran arbeiten.

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