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Eine Mediation kann helfen, viel Geld zu sparen

Konflikte bei den Hörnern packen

© komm.passion

Konflikte können produktiv sein. Sie treiben Veränderungen, bringen Entwicklung und Fortschritt und führen im besten Fall zu gewinnträchtigen Innovationen. Wenn sie produktiv gelöst werden. Aber was, wenn sie eskalieren und die verwickelten Streithähne gar nicht mehr miteinander sprechen wollen? Dann gehen sie richtig ins Geld. Weil sie Ressourcen binden oder im schlimmsten Fall ganze Infrastrukturprojekte lahm legen.

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne

Das gilt für die Liebe wie fürs Geschäft. Sören G.* und Jana K.* (Namen von der Redaktion geändert) treiben mit viel Euphorie und Optimismus die Gründung ihres eigenen Designbüros voran. Beide ergänzen sich perfekt: Die extrovertierte Jana ist als Verkäuferin ein Ass, während der stillere Sören für Qualität und Verbindlichkeit in der Umsetzung sorgt. Schon bald laufen die Geschäfte „wie geschnitten Brot“, der Gewinn wird geteilt. Und rasch werden die ersten Mitarbeiter eingestellt. Doch nach und nach kommen Unstimmigkeiten auf. Es geht ums Geld, genauer: um die Aufteilung der Gewinne. Jana will ein größeres Stück vom Kuchen, da sie ja die Kunden bringt. Sören sieht das nicht ein, schließlich hält er Jana den Rücken frei.

Der Konflikt verschärft sich, und damit auch das Vokabular. Schließlich wird es emotional, Worte wie „Geldgier“, „Schmarotzer“ fallen. Der Konflikt hat Folgen. Wichtige Pitches gehen verloren, das Arbeitsklima leidet und die ersten Mitarbeiter suchen sich neue Jobs. Auf einmal werden die Gewinne, die zu verteilen sind, kleiner, viel kleiner …

Konfliktkosten: Schnell mehrere Zehntausend Euro

Wie teuer ungelöste Konflikte für ein Unternehmen werden können, hat die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG bereits 2009 in einer Konfliktkostenstudie untersucht. Für das Beispiel einer kleinen Werbeagentur mit insgesamt vier Beschäftigten haben die Wirtschaftsprüfer bereits eine Schadenssumme von 66.000 Euro ermittelt. Hineingerechnet wurden dabei Kosten für Arbeitszeit, die aufgrund des Konflikts und seinen Folgen (mangelnde oder falsche Information und Kooperation) zur Aufrechterhaltung des Betriebs nötig sind, aber auch entgangene Gewinne durch Aufträge, die in dieser Zeit hätten akquiriert werden könnten. In größeren Unternehmen können die Kosten schnell in die Millionen gehen. Und bei großen Infrastrukturvorhaben reden wir schnell über Milliarden. Das haben zuletzt Projekte wie Stuttgart 21 oder der Ausbau der Stromtrassen eindrucksvoll bewiesen. 

Konflikte lösen, bevor sie zur Seuche werden

Konflikte, die „ausgesessen“ werden, eskalieren schnell. Ihr Treibstoff sind negative Gefühle wie Angst, Wut und Enttäuschung. Der Anfang erscheint oft harmlos … irgendwie verändert sich der Umgang, alles wird verkrampfter, auch empfindlicher. Oft gibt sich das auch wieder. Vor allem dann, wenn Konfliktparteien in der Lage sind, ihre Differenzen anzusprechen und zu lösen. Wenn aber nicht, gibt schnell ein Wort das andere, es kommt zu verbalen Auseinandersetzungen, zu Verletzungen und schließlich zum offenen Kampf – schlimmsten Falls bis zur Inkaufnahme des gemeinsamen Untergangs.

Konflikte breiten sich wie eine Seuche in Unternehmen und ihrem Umfeld aus. Sie infizieren benachbarte Unternehmensbereiche und lassen Stimmungen in Öffentlichkeit und Medien eskalieren, die nur schwer wieder einzufangen sind. Aussitzen ist also keine Lösung, Sie müssen sich den Konflikten stellen und diese bei den Hörnern packen, bevor sie zur Seuche werden. Aber wie, durch brachiales Durchsetzen von oben? Mag sein, dass das im Einzelfall mal funktioniert …

Das Dilemma: Streithähne in Kooperation bringen

Doch Konfliktlösungen brauchen die Akzeptanz der Beteiligten, um auf Dauer Bestand zu haben. In Organisationen, die von ihren Beschäftigten ein immer höheres Maß an Selbstorganisation einfordern, taugt der hierarchische Eingriff wenig. Auch in der Auseinandersetzung zwischen Bürgern und Staat scheitern Lösungen, die auf die Durchsetzung von Rechten pochen, wenn die Zustimmung dazu im Umfeld gering ist.

Nein, eskalierte Konflikte stehen vor dem Dilemma, auf kooperativem Wege Lösungen zu entwickeln, obwohl die beteiligten Parteien einander misstrauen und nicht mehr in der Lage sind, sachlich miteinander zu sprechen. Für dieses Dilemma bietet die Mediation Lösungen an.

Zurück zu Jana und Sören

Die Situation bei Jana und Sören spitzt sich zu. Die Geschäfte laufen nicht mehr und beide sprechen – wenn überhaupt – nur das Nötigste miteinander. Bei den grundlegenden Themen kommen die Gespräche schnell zu einem emotionalen Ende. Eine weitere Zusammenarbeit scheint nicht mehr möglich. Schließlich befragen beide ihre Anwälte – ein Erlebnis, das ihnen die Augen öffnet. Würde der Konflikt juristisch geklärt, so beide Anwälte übereinstimmend, wäre das ein langes und teures Verfahren, an dessen Ende das Aus der gemeinsamen Firma stünde. Für Jana und Sören – aber auch für ihre Angestellten – wäre das eine Katastrophe.

Da sie miteinander nicht reden können, lassen sie sich von einem vermittelnden Dritten helfen – sie entscheiden sich für eine Mediation. In deren Verlauf schaffen sie es schließlich, wieder miteinander ins Gespräch zu kommen. Schnell kommen die tatsächlichen Interessen zur Sprache: Sören will Anerkennung für seine Arbeit „im Hintergrund“ – und die Sicherheit eines verlässlichen Einkommens. Jana braucht den Kick des Wettbewerbs, kann mit Risiken besser leben, will aber dafür richtig gut verdienen, wenn sie auch richtig gut akquiriert. Die Lösung: neue Einkommensmodelle mit unterschiedlichen Grundgehältern und unterschiedlichen Boni.

Mediation: In fünf Schritten zur Lösung

Die Mediation bezeichnet ein außerhierarchisches und außergerichtliches Verfahren zur Beilegung von Konflikten, das von einem oder mehreren Mediatoren als externen, unabhängigen und neutralen – besser: allparteilichen Dritten durchgeführt wird. Die Teilnahme an einer Mediation beruht auf Freiwilligkeit. Sie setzt bei beiden Konfliktparteien die Bereitschaft voraus, den Konflikt eigenverantwortlich zu lösen und dabei eine von ihnen als fair empfundene Lösung zu erzielen. Eine Mediation sollte auf neutralem Boden durchgeführt werden. Auch bei innerbetrieblichen Konflikten ist es oft ratsam, dafür die Räume des Mediators oder ein Hotel in der Nähe des Firmensitzes zu nutzen.

Für eine Mediation gelten verbindliche Spielregeln: Alle Beteiligten nehmen freiwillig an ihr teil. Sie vereinbaren absolute Vertraulichkeit über das in der Mediation Gesagte, der Prozess selbst ist von Beginn an ergebnisoffen. Im Normalfall führt sie in fünf Stufen zur Lösung:

  • Die Auftragsklärung: Die Beteiligten klären den Ablauf des Mediationsprozesses.
  • Themensammlung: Welche Themen sollen in dem folgenden Verfahren besprochen werden? Die Beteiligten sammeln die aus ihrer Sicht zentralen Themen und vereinbaren eine Agenda.
  • Interessenklärung: Das Kernstück der Mediation, die beteiligten Konfliktparteien legen ihre unterschiedliche Sicht auf die Dinge dar und arbeiten ihre Interessen heraus.
  • Entwicklung von Lösungsoptionen: Die Konfliktparteien sammeln gemeinsam Lösungsoptionen und bewerten diese aus ihrer Sicht. So entsteht Schritt für Schritt eine Vereinbarung zur Beilegung des Konflikts.
  • Abschlussvereinbarung: Wie bei Koalitionsverhandlungen gilt auch hier: Es ist nichts verhandelt, bis alles verhandelt ist.

Den Kuchen größer machen

Herzstück der Mediation ist die Interessenklärung. In dieser Phase arbeiten die Beteiligten die Interessen heraus, die hinter den vorgetragenen Positionen stehen. Doch was genau ist der Unterschied zwischen Position und Interesse? Eine Position ist ein Standpunkt, für den sich jemand bewusst entschieden hat. Die Interessen sind die Gründe, die jemanden zu dieser Entscheidung veranlasst haben. Solange ein Streit um konkrete Positionen geführt wird, ist die Zahl möglicher Lösungen extrem eingeschränkt. Anders bei Interessen, gewöhnlich kann fast jedes Interesse durch mehrere Lösungsvarianten zufriedengestellt werden. Bei Mediationen zeigt sich immer wieder: Trotz gegensätzlicher Positionen gibt es mehr gemeinsame Interessen als gegensätzliche. Deshalb sprechen wir auch davon, den zu verteilenden Kuchen in der Mediation größer zu machen.

Die Interessenklärung ist in der Regel die längste Phase eines Mediationsprozesses. Der Mediator ist jetzt gefordert. Er muss geduldig und beharrlich nachfragen – immer wieder – und so den Konfliktparteien helfen, wie Archäologen Schicht für Schicht ihre Interessen freizulegen, ohne sie dabei zu bedrängen oder unter Druck zu setzen. Dabei muss der Mediator seiner allparteilichen Vermittlerrolle treu bleiben – er ist nicht verantwortlich für das Entwickeln von Lösungen, das ist Sache der Streitparteien. Sobald er selbst konkrete Lösungsvorschläge einbringt, läuft er Gefahr, seine vermittelnde Rolle zu beschädigen. Er kann allenfalls durch gezieltes Hinterfragen eine Diskussion wieder neu beleben, die ins Stocken zu geraten droht.

Eine gut ausgearbeitete Interessenklärung ist die halbe Miete zur Beilegung des Konflikts. Je besser sie gelingt, desto konstruktiver verläuft in der Regel die Lösungsfindung.

Wie haben sich Jana und Sören geeinigt?

Ein Liebespaar sind Jana und Sören durch die Mediation nicht geworden. Aber ihr Designbüro läuft stabil und beide sehen in ihrer Zusammenarbeit Zukunft und Perspektive. Hätten sie den Konflikt nicht bearbeitet, hätte dieser ihr Unternehmen von innen regelrecht aufgefressen. Wären sie zum Anwalt gegangen, gäbe es das Unternehmen heute wahrscheinlich auch nicht mehr. Dank Mediation haben sie eine tragfähige Lösung gefunden.

Bei öffentlichen Verfahren: Kommunikationsregeln vereinbaren

Mediationen sind in der Lage, innerbetriebliche Konflikte sowie Streitigkeiten zwischen Unternehmen nachhaltig beizulegen. Immer bedeutender werden mediative Ansätze bei Konflikten zwischen Organisationen und Öffentlichkeit. Dabei gelten im Grunde dieselben Grundsätze wie für eine Mediation zwischen Personen. Zentrale Unterschiede gibt es jedoch bei der vertraulichen Behandlung des Gesagten – Transparenz und Teilhabe sind ja meist zentrale Forderungen von Bürger- und Anwohnerinitiativen. Für diesen Fall müssen exakte Regeln vereinbart werden, wer wann mit wem spricht. Alleiniger Ansprechpartner für die Medien sollte der Mediator sein. Er muss den Spagat hinbekommen, berechtigte Informationsinteressen (und nur die!) der Öffentlichkeit zu bedienen, und zugleich vertraulich behandeln, was Vertraulichkeit braucht.

Vor Konflikten muss niemand Angst haben. Je eher man sie bei den Hörnern packt, desto einfacher lassen sie sich produktiv lösen. Der Kuchen, der verteilt werden kann, ist meist größer, als die formulierten Positionen vermuten lassen.

Wir wünschen Ihnen gute Konflikte.

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