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komm.passion-Dossier 5/2016

Ich trage, also bin ich – aber was?

Wie ticken die Fans von Adidas, Puma und Nike? Und warum spielt Under Armour in einer anderen Liga? Ein – bisher nur von der Kommunikationsagentur komm.passion eingesetztes – Social-Media-Analyse-Tool liefert nicht nur Antworten auf die Fragen nach Vorlieben und Gewohnheiten von Markenfans. Es ist in der Lage, die komplette digitale Lebenswelt samt Bedürfnissen, Wünschen und ungeahnten Querverbindungen abzubilden. Und damit die Marktforschung, wie wir sie kennen, zu revolutionieren. Frei von Verzerrungen, frei von sozial erwünschten Antworten. Die Zukunft der Zielgruppenanalyse hat begonnen.

Mit vielen Klicks vorbei an den Fans der Marke

Sein Ego ist manchmal größer als sein Spiel, aber er gehört bei der EM 2016 zu den Fußballern mit den meisten Klicks. Bereits in der ersten Woche der Fußball-Europameisterschaft sahen mehr als 39 Millionen Menschen bei YouTube das Video „The Switch featuring Cristiano Ronaldo“. Die Mehrheit ist begeistert.

Nike Football punktet mit dem Sechsminüter über den folgenschweren „Identitätenwechsel“ zwischen Ronaldo und einem Balljungen. Doch bei wem? Trifft die Geschichte haargenau die Lebenswelt der Nike-Zielgruppe? Nein! Denn wer für quälendes Training und vollendete Fußballkunst brennt, ist häufig gar kein eingefleischter Fan von Nike. Das ist eines der Ergebnisse, zu dem jetzt eine aktuelle Studie kommt.

Die CB Management GmbH, der Neuroinformatiker und Unternehmensberater Dr. Klaus Holthausen und die Kommunikationsagentur komm.passion haben bei dieser Studie eine neuartige Form der Marktforschung angewandt: Social Media Analytics. Sie entschlüsselt das „soziale Genom“ von Marken aufgrund von Facebook-Klicks und liefert damit differenzierte Lebenswelten von Sportartikelmarken-Fans.

Kampf der Ausrüster

Bei der Europameisterschaft kämpfen auch die Ausrüster gegeneinander. Wie schon bei den Ausrüster-Listen der WM 2010 und der WM 2014 zu sehen, verdichtet sich dieser Kampf immer mehr auf die großen drei: Adidas, Puma und Nike. Dabei hat Adidas als UEFA-Partner und Ausrüster von zehn Teams die Nase zwar vorn. Aber die Konkurrenz ist der Drei-Streifen-Marke dicht auf den Fersen. Das Nike-Logo schmückt sechs Teams; fünf Mannschaften rüstet Puma aus. Beinahe logisch ist, dass kleinere Anbieter nur bei den „Exoten“ oder Nationen mit umsatzschwachen Märkten unterkommen. In Joma-Trikots läuft Rumänien auf, Umbro tragen die Iren, Macron die Albaner und die Isländer bringen Erreà ins Spiel.

Die Studie zum sozialen Genom

Überragende Sportlichkeit, eiserner Leistungswillen und fußballerisches Talent – dafür stehen die Teams und Fußballer bei der EM. Doch wie sehen die Lebenswelten der Markenfans aus? „Weil wir genau das wissen wollten, haben wir das soziale Genom der Fans von Adidas, Puma und Nike – sowie der Marke Under Armour – entschlüsselt“, sagt Holthausen und erläutert: „Ähnlich wie das menschliche Erbgut über die Ausprägung einer Spezies entscheidet, bestimmt auch das soziale Genom, wie sich eine Zielgruppe verhält und was sie gut oder schlecht findet.“ Für die Analyse wurden die Facebook-Likes von 40.000 Nutzern ausgewertet.

„Diese Marktforschungsmethode dringt schnell tief in die Lebenswelten vor und bringt ungeahnte Mikro-Milieus zum Vorschein.“

Prof. Dr. Alexander Güttler

Das, was die Nutzer bei Facebook als größtem sozialen Netzwerk mit rund 28 Millionen Mitgliedern in Deutschland durch ihre Likes offenbaren, wertete Holthausen für die aktuelle Studie mit einer eigenen Software aus. Sie durchsuchte einen Katalog mit mehr als 6.000 Seiten, die als sogenannte Entitäten mit „Gefällt mir“ markiert werden können.

Festgestellt wurde so, wie hoch die Affinität der jeweiligen Markenfans zu den Seiten ist. Aufgenommen wurden Seiten, die sich auf gesellschaftliches Interesse, Konsumgüter, Hobbys, Lebensmittel und Unterhaltung beziehen. Aus den Top-200-Entitäten der Fans von Adidas, Puma, Nike und Under Armour ermittelte Holthausen die jeweils 40 mit der höchsten Affinität und bildete sie als assoziative Markencluster ab. „Damit wird das soziale Genom der Markenfans sichtbar“, sagt Holthausen. Und heraus kamen einige Überraschungen.

Adidas-Fan: „Sport muss nicht immer aktiv sein“

In der Markenkommunikation gibt sich Adidas zwar als Sportartikelhersteller; die Lebenswelt der Fans jedoch sieht anders aus. „Ihnen entspricht es mehr, Fußball zu gucken, als zu spielen und das Trikot dürfte eher fester sitzen als sportlich“, bringt es Holthausen auf den Punkt. Auffallend sind beim typischen Adidas-Fan unter anderem folgende – weniger sportliche – Fakten:

Zum einen eine deutliche Begeisterung für Fast Food, sei es Pizza-Hut oder Subway. Wer Adidas mag, dem schmeckt es dort überdurchschnittlich oft besonders gut. Überhaupt ist der Adidas-Fan kein „Kind von Traurigkeit“: Oliver Pocher, RTL II oder den Playboy findet er besonders oft klasse. Seine Unterhaltungshelden kommen eher seicht daher: Gerne sieht er Mr. Bean, Joko und Klaas oder die US-Sitcom „Two and a Half Men“.

Der Adidas-Fan interessiert sich für viele Dinge, aber ist nicht stark sport-fokussiert – weder passiv noch aktiv. Unter den Top-40-Entitäten findet sich kein einziger Fußballverein; lediglich die Champions League und die Bundesliga gefallen ihm überdurchschnittlich oft. Er ist definitiv kein Sport-Enthusiast. Er gibt gerne Geld für sportlich aussehende Kleidung aus (zum Beispiel adidas original), ist aber auch anderen Marken gegenüber offen. „Für den Fan ist Adidas mehr eine Lifestyle- als eine Sport-Marke“, resümiert komm.passion-Chef Güttler.

Puma-Fan: „Bodenständig und weniger Schickimicki“

Sicher gibt es seit „Trikotgate“ im Spiel Frankreich gegen Schweiz eine Assoziation, die Puma klar von Adidas und Nike abgrenzt. Der Schweizer Fußballer Xherdan Shaqiri dürfte es mit seinem Kommentar „Zum Glück stellt Puma keine Kondome her“ an die Spitze der meistzitierten EM-Spieler geschafft haben.

Doch anders als das Trikot-Material zeigen die Fans der Marke in ihren Vorlieben wenige Ausreißer. Der Puma-Fan ist mittelmäßig interessiert an vielen Dingen; eine deutliche Passion ist nicht erkennbar. Puma-Fans sind markengetrieben und scheinen ihr Geld da auch auszugeben; eher im höheren Mittelklasse-Bereich.

Ihre Unterhaltungs-Lebenswelt ist der des Adidas-Fans ähnlich. Bei ihren Vorlieben für Lebensmittel könnten sich die Fans beider Marken durchaus an einen Tisch setzen. Angestoßen wird dort mit Pepsi, die sie beide mögen. Bei Nutella langt eher der Adidas-Fan zu; bei Chips von funny-frisch der Puma-Fan. Dieser hat die Lebensmittel übrigens eher aus dem Discounter – und auch bei Konsumgütern gibt sich der Puma-Fan einen Hauch preisbewusster.

Auffälligster Unterschied zwischen Adidas- und Puma-Fans: Puma-Fans äußern bei ihren Likes ein wesentlich stärkeres Interesse an Fußball. Wer Puma „liked“, nutzt deutlich mehr Sport-affine Medien als jene, die sich für Adidas begeistern. 11Freunde, Sport1 News und DeinSkySport sind unter den Top-40-Likes. Borussia Dortmund spielt für viele Puma-Fans eine wichtige Rolle. Zum Vergleich: Die Adidas-Fans bei Facebook stehen weitaus weniger hinter Bayern München, dem Verein, den ihr Bekleidungs-Favorit ausrüstet.

Übrigens: Bei den Waschmittelmarken scheiden sich die Geister. Adidas-Fans waschen ihr Trikot lieber mit Persil, Puma-Fans mit Spee.

Auch wenn die Lebenswelten der Fans von Puma und Adidas auf den ersten Blick recht ähnlich sind, zeigt sich in der Differenzierung, dass die eher konservativen Milieus näher an Puma stehen und Adidas näher bei moderneren Milieus angesiedelt ist. „Für die Kommunikation bedeutet das, dass sich Puma eher als der ,Jack Wolfskin der Sportkleidung‘ betrachten sollte und nicht glaubhaft auf einer Jugendhype-Welle surfen kann“, lautet das Fazit von Holthausen. Wo man bei Puma manchmal noch den Schweiß riecht, macht die Marke wenig aus durchaus interessanten Ressourcen.

Nike-Fan: „Cooler, junger Lifestyle“

Eindeutig jünger als die Fans von Adidas und Puma ist der Nike-Fan. Der deutsche Nike-Fan liebt Humor und Unterhaltung ebenso wie Bier und Shisha. Wo bei den deutschen Sportartikelherstellern braune Brause in die Fan-Kehlen fließt, kippt der Nike-Fan lieber einen Energydrink. Monster Energydrink nimmt eine zentrale Position im sozialen Genom ein, sprich: Ist besonders beliebt. Wer stattdessen lieber „Rockstar“ als Energydrink zu sich nimmt, zieht in den meisten Fällen auch gerne an der Shisha. Alkohol geht aber auch: Stolz bekennen extrem viele Fans „Ich trinke Bier“.

Im Unterhaltungssektor lieben es die Nike-Fans laut und lustig: Sie mögen MTV, den YouTube-Kanal „Die Außenseiter“, die TV-Serien „How I met your Mother“ und „Two and a Half Men“ sowie die junge umtriebige Sängerin Nicki Minaj.

Die Freude an der Playstation übrigens vereint die Fans des amerikanischen Herstellers mit denen der beiden deutschen Konkurrenten Adidas und Puma.

Under Armour-Fan: „Ich meine es ernst und kenne mich aus“

Nicht unter den EM-Ausrüstern, aber auf dem Sprung ins Lager der Top-Hersteller ist der Sportartikelhersteller Under Armour. Kontinuierlich baut das amerikanische Unternehmen seine Verbindungen zu Klubs aus. Ab der Saison 2016/17 rüstet es zusätzlich den Premier-League-Klub Southampton FC und den Bundesliga-Zweitligisten FC St. Pauli aus.

Under Armour präsentiert sich deutlich anders als Adidas, Nike und Puma. Und – das zeigt die Analyse des sozialen Genoms seiner Fans – seine Zielgruppe definiert sich ebenfalls sehr speziell.

Bei den Under Armour-Fans stehen der eigene Körper und die persönliche Fitness an erster Stelle. „Men’s Health“ ist fast Pflichtlektüre; bei „Fitnessfreaks.com“ oder „Fitness Dessert“ treffen sie sich. Der Under Armour-Fan ist ein Sport-Addict und kein Enthusiast oder Freizeitsportler. Er meint es sehr ernst mit Körper und Sport. Im Vergleich mit Adidas-, Puma- und Nike-Fans scheint er auch in seinem Lifestyle fokussierter zu sein.

Er steht auf Netflix statt auf RTL II und hat kaum Modelabel im Fokus. Seine Fußball-Infos holt er sich aus 11Freunde und Sport1News. Der Under Armour-Fan lässt sich zudem seine Passion durchaus etwas kosten. Spiele schaut er über SkyNewsHD. Die besondere Ernährung ist preislich höher. Die Mär vom „dummen, armen Muskelmann“ hat der Under Armour-Fan abgelegt: Er ist informiert, gebildet und verdient Geld, das er ausgibt. Er identifiziert sich mit dem Under Armour-Fitness Role Model Dwayne Johnson.

Milieu-Schubladen gesprengt

Holthausen resümiert: „Dieser Typus von Fan passt in keine klassische Milieu-Schublade. Etablierter Hedonist ist eine mögliche Beschreibung. Er hat Geld, ist durchaus gebildet und interessiert sich für Neuheiten. Sein sportliches Interesse bezieht sich auf Muskeln, Muskelaufbau, Bodybuilding und harte Fitness. Eher sportliche Betätigungen, die früher vorwiegend den unteren Schichten zugeschrieben wurden. Das stört ihn nicht.“

Auch wenn der Under Armour-Fan keinen Sport macht, drehen sich seine Interessen rund um seinen Sport. Er kopiert nicht den Habitus klassischer Fitness-Studio-Besucher – er sieht sich als Profi. Er ist scharf auf alle Erkenntnisse, beispielsweise über Ernährung, um seinen Sport und sich selbst zu optimieren.

„Die Lebenswelt der Fans spiegelt sich in der Markenkommunikation. Under Armour ist glaubhaft dem Underdog-Image entwachsen und bleibt dabei seinem harten, nicht verweichlichten Marken-Image treu. Das erkennen auch die Sympathisanten. Bei Under Armour zeigt sich, dass die Strategie der Marke durchaus von den Fans verstanden wird und sich in Vorlieben, Interessen und Hobbys widerspiegelt. Personen mit Bildung und Geld, die sich ernsthaft Fitness und Bodybuilding verschrieben haben, finden eher bei Under Armour ihre Heimat – und nicht bei Puma oder Adidas. Hier funktioniert auch die Abgrenzung besonders gut“, kommentiert komm.passion-Chef Güttler.

„CR 7“-Fan: „Spieglein, Spieglein …“

Wenn man sich ansieht, welche Lebenswelten für die Fans von Cristiano Ronaldo eine wichtige Rolle spielen, fällt auf: Aktiver Sport gehört auch hier nicht vorrangig dazu. Sport findet vor allem daheim auf der Konsole statt und nicht im Fitness-Studio.

Dagegen ist die Lebenswelt Mode auffällig stark gewichtet. Victoria’s Secret, Zara und Lacoste finden viele „CR 7”-Fans toll – ebenso wie schnelle Autos von Ferrari und Lamborghini. In der Unterhaltung steht Rüpel-Rapper Bushido hoch im Kurs.

Vergleicht man die Lebenswelt der Fans mit dem Hauptthema des aktuellen Nike-Videos „The Switch“ so fällt auf, dass sich – außer dem Idol Ronaldo und dem „Underdog-Thema“ – dort nur Bruchteile ihrer Lebenswelten wiederfinden.

„The Switch“ – vorbei an der Lebenswelt der Nike-Fans

Zwar kommen Autofans mit dem Auftritt des Ferrari in „The Switch“ auf ihre Kosten, aber weitere – für Nike-Fans wichtige – Lebenswelten wie Lifestyle, Mode, Musik und Humor sind kaum ausgebaut. „The Switch“ setzt auf göttliche Fußball-Szenen, die Botschaft, dass hartes Training Erfolg bringe, und erfreut mit gekonnt geschnittenen atemberaubenden Fußball-Szenen von Stars wie Harry Kane, Anthony Martial, Joe Hart, Raheem Sterling – sowie selbstverständlich „CR 7“ himself.

Diese Szenen dürften es sein, die das Video so beliebt machen. „Aus Sicht der Zielgruppenansprache jedoch ist die Kommunikation über die Kampagne „The Switch“ nicht gelungen“, urteilt Kommunikationsexperte Güttler und führt fort: „Die Ernsthaftigkeit im Training, die Lebenswelt Fitness, die das Video spiegelt, und das Bekenntnis zum trainierten, gestählten Körper, spiegelt sich in den Lebenswelten der Fans der großen Sportartikelhersteller nicht wider.“ Legt man die Ergebnisse der Studie zugrunde, dann dürften die Lebenswelten von „The Switch“ vor allem die Under-Armour-Fans begeistern. Dass Nike das bezweckt hat, ist unwahrscheinlich.

PAS – State of the Data

Aktuell haben die Herren Becker, Güttler und Holthausen die Initiative PAS (Pragmatic Analytic Services) gegründet, die sich mit der Verknüpfung vielfältiger Analysetools und deren Weiterentwicklung beschäftigt. In diesen Tagen arbeiten die IT- und Marktforschungsexperten daran, mit Hilfe von Bilderkennungsprogrammen auch Instagram auswerten zu können. Neben den Forschungen, Marken- wie Fananalysen ist das Alltagsgeschäft oft durch sehr konkrete und schnell zu beantwortende Fragen geprägt.

So wollte ein Unternehmen gerade wissen, wie bestehende Testimonials preisgünstiger so ersetzt werden können, dass sie dennoch den Nerv der Zielgruppe treffen. Eine schnelle Analyse half weiter und ermöglichte eine passgenaue Entscheidung – ganz im Sinne und nach dem Geschmack der Fans.

„Und das Schöne“, sagt Professor Güttler, „ist, dass wir die Menschen in der Regel nicht befragen müssen, sondern wir beobachten, wie sie sich im Web ausdrücken. Damit vermeiden wir die sonst typischen sozial erwünschten Antworten und Verzerrungen in der Statistik.“ Holthausen führt weiter aus: „Hinzu kommt neben unseren methodischen Vorteilen, dass unsere Algorithmen inzwischen ausgereift und vielfach erprobt sind. Für unsere Kunden bedeutet das nicht nur Schnelligkeit, sondern, dass wir häufig auch schlicht preiswürdiger arbeiten können als andere Marktforscher.“

 

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