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Warum die CSRD besser als ihr Ruf und ihre Wertschöpfungskette länger als gedacht ist

Change-Treiberin Nachhaltigkeit

ESG, ESRS, CSRD, JWD – bei den vielen Kürzeln rund um Sustainability und Nachhaltigkeit kann man schonmal durcheinanderkommen. Gut, wenn man beim Aufsetzen der Berichterstattung Prozess- und Organisationsanpassungen gleich mit im Blick hat. Für die Kommunikation bietet das ganze Thema echten Mehrwert. Es stärkt den kommunikativen Kapitalstock des Unternehmens. Man muss es nur von Beginn an strategisch angehen …

Nachhaltigkeit: Kommunikatives Kapital für die Wettbewerbsfähigkeit

Gleich vorweg: Wir sprechen heute nicht über Klima- und Umweltschutz. Zumindest nicht nur. Denn Nachhaltigkeit ist vielmehr als Umwelt- und Klimaschutz. Im Kern geht es um die Sicherung der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit. Es geht um Ökologie, aber eben genauso um Ökonomie und um soziale und gesellschaftliche Themen. Um Regulierung und Mehraufwände, aber eben auch um Veränderungen, die große Chancen für Unternehmen bieten. Für ihre Kommunikation, für ihre Interaktion mit ihren Stakeholdern und Kund:innen und  letztlich für ihre Position im Markt und in der Gesellschaft.

Noch vor wenigen Jahren als so genanntes „Gutmensch-Thema“ belächelt ist Nachhaltigkeit längst zum harten Erfolgsfaktor geworden. Und noch mehr: Der Umgang mit Fragestellungen zur Nachhaltigkeit  – Ökologie, Ökonomie, Soziales/Gesellschaftliches – kann ganz wesentlich darüber mitentscheiden, wie legitim unternehmerisches Handeln und gesellschaftliche Impulse aus der Wirtschaft im öffentlichen Diskurs empfunden werden.

Begriffe wie ESG, NFRD, CSRD, ESRS, Taxonomy und andere stehen für ein ganzes Netz von Berichtspflichten. Unser Fokus soll für das Folgende auf der Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, der Corporate Sustainability Reporting Directive, der CSRD liegen. Mit dieser hat die Europäische Kommission Nachhaltigkeit zu einer Pflichtaufgabe für viele Unternehmen gemacht und ein Regelwerk vorgelegt, das tief ins Unternehmen eingreift. Die folgenden drei Thesen zeigen, warum:

These 1: Nachhaltigkeit ist Change-Treiberin

Mit dem Thema Nachhaltigkeit begibt man sich auf eine Change-Reise. Wer den künftigen CSRD-Berichtsanforderungen gerecht werden will, muss die nötigen organisatorischen Voraussetzungen haben – oder noch schaffen. Einige Beispiele:

  • Policy und Strategie – Die Nachhaltigkeitsberichterstattung nach CSRD verlangt Unternehmen die Formulierung und Verankerung von Policies und Strategien ab. Auch Nachhaltigkeit-Ratings wie Sustainalytics erwarten das und reagieren empfindlich auf Leerstellen. Nachhaltigkeit muss in der Unternehmensstrategie als Kontinuum verankert werden, symbolhafte Einzelaktionen verlieren ihren kommunikativen Wert. Das ist ein fundamentaler Wandel, der die Frage nach Verantwortlichkeit, Ziel, Messbarkeit und Prozess stellt. 
  • Wesentlichkeit und Agenda Setting – Welche sind die für uns wesentlichen Themen? Und welche die unserer wichtigsten Stakeholder? Nachhaltigkeit zwingt Unternehmen, neu zu entscheiden, was tatsächlich wesentlich ist. So können neue Themen und neue Perspektiven auf die Agenda kommen, die bisher im „Business as usual“ eher ein „Schattendasein“ führten.
  • Rollen – Um funktionierende Prozesse zu gewährleisten, klären wir, wen wir in welcher Funktion in die jeweiligen Prozesse einbeziehen müssen. Das kann angelehnt an eine RACI-Systematik erfolgen. Damit werden Verantwortlichkeiten klar definiert und konkret an Personen festgemacht. Um Flaschenhälse zu vermeiden, sollten Verantwortlichkeiten so definiert werden, dass sie schlanke und effiziente Prozesse erlauben – was jenseits der klassischen Hierarchie- und Berichtslinien oft pragmatischer sein kann. Damit hat Nachhaltigkeit das Potenzial, mehr Menschen in Verantwortung für das Ergebnis einzubinden, mehr Agilität in Organisationen zu tragen und sie damit im Wettbewerb zu stärken.     
  • KPIs und Ziele – KPIs und Ziele geben Nachhaltigkeitsstrategien Richtung und Fokus. Wer Ressourcenverbrauch misst, wird am Ende vor der Aufgabe stehen, hier besser zu werden. Das verändert Prozesse und spart Kosten. Wer Chancengleichheit misst, wird auch hier besser werden wollen – und stärkt damit auch das Recruiting. So macht Nachhaltigkeit Unternehmen auch stärker im Wettbewerb. Gleichzeitig geht das Ringen um Ziele an die Corporate Identity eines jeden Unternehmens – wo wollen wir hin? Was darf das kosten? Welche Opfer müssen wir hierfür bringen? Was macht das mit unserem Business Model? Einmal vereinbart, können sie Verhaltensweisen, Prioritäten und Geschäftsmodelle verändern. Das gilt für das gesamte Unternehmen und für die gesamte Wertschöpfungskette – von der Produktion über die Verwaltung bis hin zur Produkt- und Preispolitik.    
  • Kulturwandel – Die interne Kommunikation kann schließlich ihren Beitrag leisten, einen internen Kulturwandel zu unterstützen. Denn mit neuen Berichtspflichten kommt zusätzliche Arbeit auf die eh schon vollen Schreibtische der Kolleg:innen. Das ehemals „weiche“ Thema Nachhaltigkeit muss unmissverständlich als erfolgsrelevant vermittelt werden. Gleichzeitig muss sie aber auch positiv und mitnehmend erzählt werden. Und Teilhabe der Mitarbeiter:innen muss über die berühmte „Nachhaltigkeits-Arbeitsgruppe“ hinaus gehen, die dann oft marginalisiert als „Spaßverderber“ ihr Schattendasein im Unternehmen fristet.

Berichtsstandards und regulative Anforderungen erwarten immer mehr, dass Unternehmen über den Status quo berichten und dabei auch Ziele und Fortschritte darstellen. Nachhaltigkeit ist ein Prozess. Auf Dauer müssen Unternehmen Strategien entwickeln, welche diesen Prozess verankern und dadurch helfen, gesteckte Ziele zu erreichen.

Das wird die unterschiedlichsten Bereiche im Unternehmen betreffen, den Büroalltag genauso wie die Produktion, das Marketing ebenso wie die Produktpolitik. Vieles wird dazu führen, dass sich Abläufe verändern. Um Papier, Reisen, Wasser, Energie zu sparen und Abfälle zu vermeiden, müssen Dinge, die „schon immer so gemacht“ wurden, neu gedacht werden. All das stärkt Unternehmen im Wettbewerb, weil Kosten gespart und effizientere Prozesse zu entwickeln sind.

Diese Veränderungen werden in ihrer Konsequenz auch an der Produktpolitik nicht halt machen. Um Ressourcen, CO2 und Kosten zu sparen, aber auch, um die eigene Unternehmensmarke zu stärken. Denn Nachhaltigkeit hat eben auch ganz viel mit Kommunikation zu tun.   

These 2: Nachhaltigkeit wird Teil des Markenkerns

Rund vier Fünftel aller Konsument:innen verhalten sich – nach eigener Wahrnehmung – heute nachhaltiger als vor einigen Jahren. Und das wünschen sie sich auch vom Handel und von ihren Marken.[1] Und drei Viertel von ihnen, so eine McKinsey-Studie, achten auch beim Einkauf auf Nachhaltigkeit.[2] 

Drei Viertel der deutschen Verbraucher:innen achten beim Einkaufen auf die Nachhaltigkeit der Produkte. 

McKinsey & Company

Zudem geben zwei Drittel der vom Deutschen Investor Relations Verband befragten Unternehmen an, dass ihre Investor:innen Nachhaltigkeitskommunikation einfordern.[3] Die Regulierung mag den Rahmen setzen. Abes es sind die Stakeholder, die ordentlich Druck machen.

Getrieben von Financial, Kund:innen, Community und Politik steht Nachhaltigkeit schon heute im Zentrum der Marken- und Unternehmenskommunikation. Ohne valide Nachhaltigkeitsstrategie lassen sich unternehmerische Ziele nicht mehr absichern. Mit der CSRD wird europaweit ein Berichtswesen etabliert, das eine Menge an neuen Daten generiert, die sauber dokumentiert und aufbereitet werden müssen. Diese Datenmenge ist wertvolles Kommunikationskapital für die Unternehmenskommunikation.

Nachhaltigkeitsthemen spielen in der politischen Kommunikation längst eine zentrale Rolle, wenn es um legitime Interessen von Unternehmen und Branchen sowie deren Leistungen für Gesellschaft und Gemeinwesen geht. Und hier nochmal zur Erinnerung: Es geht immer um alle drei Dimensionen, um die Ökologie, die Ökonomie und Soziales/Gesellschaftliches. Der alleinige Fokus auf Ökologie grenzt die kommunikativen Möglichkeiten ein und verengt die Debatte. Wir können bspw. Stahl (noch) nicht CO2-frei produzieren. Deshalb keinen Stahl herzustellen ist aber keine Lösung. Themen wie Versorgung, Infrastruktur, Innovation, Qualifizierung, Wertschöpfung und Teilhabe sind eben auch wichtige Zukunftsthemen – und Teil nachhaltigen Wirtschaftens.  

Im Employer Branding geht es neben Perspektive und Gehalt auch oft darum, dass potenzielle Beschäftigte erkennen wollen, dass der:die Arbeitgeber:in die Herausforderungen der Zeit auf dem Schirm hat und nach adäquaten Antworten sucht. Die Europäische Investitionsbank hat jüngst herausgefunden, dass für 81 % der 20- bis 29-Jährigen die Haltung zum Klimawandel ein wichtiges Kriterium bei der Entscheidung für eine:n Arbeitgeber:in ist.[4]

Klima-Haltung des Arbeitgebers ist für 81 Prozent der jungen Deutschen mitentscheidend.

Handelsblatt

Eine interne Kommunikation, die Beschäftigte darüber hinaus als Akteur:innen aktiv einbindet, kann dazu beitragen, die Mitarbeiter:innen-Bindung zu stärken und zugleich die intern gesetzten Ziele besser zu erreichen. Das macht Nachhaltigkeitskommunikation zu einer starken Ressource im Employer Branding.

Nachhaltigkeit wird immer mehr zum integralen Bestandteil des Markenkerns. Das führt schon heute dazu, dass neue Projekte und Produkte aus der übergeordneten Markenstrategie heraus nachhaltig aufgesetzt werden – siehe These 1, „Change-Treiberin“. Wenn das gelingt, können Unternehmensmarke (Image) und Produktmarke eng zusammenwachsen. 

Aber Stopp! Wie kann man sich wirkungsvoll vom Greenwashing abgrenzen?

These 3: Die Wertschöpfungskette der CSRD ist länger als gedacht

Regulative Pflichten machen nicht immer Spaß. Und so musste sich die CSRD der EU-Kommission schon viele Verwünschungen anhören. Aber da sie schon mal in der Welt ist, geht es darum die Chancen zu nutzen, welche sie – entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette – bietet. Und diese bietet die CSRD reichlich.

Denn das neue Regelwerk bietet eine Systematisierung sowie Standards, mit denen die seriöse Botschaft mit Fakten bewiesen und damit klar vom Greenwashing abgegrenzt werden kann. In dem im November 2022 übergebenen Draft „Standards der CSRD“ des European Sustainability Reporting Standards (ESRS), ist klar vorgegeben, wie Angaben aufbereitet sein müssen, damit sie als verlässlich berichtet gelten können. Das ist wie eine Gebrauchsanleitung für Glaubwürdigkeit in der Nachhaltigkeitskommunikation.

Darüber hinaus legen die geforderten Policies und Strategien die Basis dafür, dass Nachhaltigkeit als Kontinuum im Unternehmen verankert wird – auch das ist ein wichtiges Kriterium für Glaubwürdigkeit.

Nicht zuletzt bieten die Standards einen guten Baukasten, um in der Analysephase im internen Prozess wichtig von unwichtig zu unterscheiden. Das betrifft

  • die Stakeholderanalyse, weil Organisationen reflektieren müssen, welche Stakeholderperspektiven wirklich für das Unternehmen relevant sind (und umgekehrt!);
  • die Themenauswahl, weil jedes einzelne Thema hinterfragt werden kann, ob es ein wesentliches Thema für das Unternehmen und dessen Umfeld ist oder nicht.

Insbesondere der zweite Punkt sei nochmal hervorgehoben: Es geht nicht darum, zu möglichst vielen Themen etwas zu sagen. Es geht vielmehr darum, zu wenigen zentralen Themen Valides und Relevantes zu berichten. Für diese Wesentlichkeitsanalyse bieten die Standards der CSRD zumindest eine gute Ausgangsbasis für die interne Diskussion.

Mit der CSRD und den dazugehörigen Berichtsstandards (ESRS) hat die EU-Kommission ein Regelwerk vorgelegt, das viel Mühe und Arbeit macht (die wir Ihnen mit unseren Beratungsangeboten deutlich erleichtern können). Aber da sie jetzt schon mal in der Welt ist: Die CSRD als Wertschöpfungskette bietet eben auch enorme Chancen für die Kommunikation.

The Fun Starts Now

Die CSRD bietet Unternehmen einen guten Rahmen, um kommunikatives Kapital aufzubauen. Wenn das strategisch genutzt wird, kann daraus eine hohe kommunikative Rendite entstehen. Denn eines macht sie sehr deutlich: Sie zieht eine Trennlinie zum Greenwashing. Weil sie beweisbare Fakten liefert, auf die wir uns beziehen können.

Das allein wird nicht reichen, um Menschen zu überzeugen. Menschen wollen Geschichten, nicht (nur) Fakten. Dafür müssen wir wahre und begreifbare Geschichten finden, die unsere Fakten übersetzen. Das ganze kreativ inszeniert und eingebettet in eine Kanalstrategie, die unsere Stakeholder an den relevanten Touchpoints erreicht.    

Dann kann Nachhaltigkeit richtig Spaß machen und zum Wettbewerbsvorteil werden.

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