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Warum Nachhaltigkeit und ESG mehr als „nur“ grüne Themen sind

Fifty Shades of Green

Vom „Nice To Have“ zum absoluten „Must“: Die Themen ESG und Nachhaltigkeit sind zum harten Erfolgsfaktor geworden. Doch ihr strategisches Kommunikations-Potenzial wird noch zu wenig genutzt. Und das, obwohl in der aktuellen gesellschaftlichen Debatte nichts am Thema Nachhaltigkeit vorbeiführt. Gehör bekommt, wer auch für die Zukunft plausibel machen kann: Wir sind Teil der Lösung.

Nachhaltigkeit, Verteilungskämpfe und öffentliche Debatten mit Schärfe

Politik, Wirtschaft und Gesellschaft befinden sich mitten in Veränderungsprozessen, die gleichzeitig stattfinden. Der Klimawandel wird durch die Bilder von brennenden Ferienparadiesen präsent wie nie. Gleichzeitig spüren Hausbesitzer:innen, die ihr Eigenheim energieeffizient renovieren möchten, wie teuer Klimaschutz werden kann. Inflation, Fachkräftemangel und Lieferkettenstörungen sind für alle im Alltag spürbar. Und überall da, wo Digitalisierung Abhilfe schaffen könnte, stößt man auf die unerledigten Hausaufgaben der Vergangenheit. 

Kurz: Das Geschäftsmodell Deutschland steht in Frage. 

Das erklärt auch (zum Teil) die Schärfe der Debatten. Aus der Vielzahl der Veränderungen entstehen Verteilungskämpfe, bei denen es um viel geht. 

Nachhaltigkeitsthemen – darunter werden in der breiten Öffentlichkeit vor allem die Ökologie, der Klima- und Umweltschutz verstanden – nehmen dabei eine besondere Stellung ein. Sie sind vielleicht mehr als andere moralisch aufgeladen, zumindest aber eng mit der Botschaft verbunden, dass alle etwas beitragen können (und müssen). Unternehmen müssen sich fragen lassen: „Was tut Ihr?“ Das stellt ganze Branchen in Frage.  

Gesellschaftliche Legitimität braucht Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit wird mehr und mehr zum Legitimationsthema. Wer die Bedingungen der Transformation mitgestalten will, muss hier liefern. Die Gesellschaft wird zunehmend nur solche Akteure – Branchen wie Unternehmen – akzeptieren, die glaubhaft darstellen können, Teil der Lösung zu sein und nachhaltig zu wirtschaften. Nachhaltigkeit ist ein zentrales Thema zur Absicherung und Unterstützung der unternehmerischen Ziele. Gerade weil das so ist, sollte der gesamte Komplex – von der Berichterstellung bis zur Kommunikation – als zusammenhängende strategische Wertschöpfungskette für die Kommunikation verstanden werden. 

Mehr als „nur“ ein grünes Thema

Nachhaltigkeit wird oft sehr eindimensional verstanden: Als „grünes Ökothema”, bei dem es um Klima- und Umweltschutz, aber kaum um soziale Sicherheit und Wirtschaftskraft geht. Daran haben auch die Kommunikationsabteilungen von Unternehmen und Branchenverbände ihren Anteil. Denn die haben selbst lange Zeit das Thema als weiches „Nice-To-Have“ abgetan. Diese Zurückhaltung hat die Wirtschaft in die Defensive gebracht und die Deutungshoheit anderen überlassen hat. Darum lohnt der Blick auf das große Ganze: Was macht Nachhaltigkeit eigentlich aus?

Nachhaltigkeit ist auch Güterabwägung

Orientierung, was Nachhaltigkeit ausmacht, geben die Standards, nach denen berichtet wird. Zentral sind die ESG-Kriterien, Environment, Social und Governance. Sowohl der international weit verbreitete GRI-Standard als auch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) mit ihren für europäische Unternehmen bald verpflichtenden European Sustainability Reporting Standards (ESRS) greifen diese Logik auf. Alle drei Berichtstandards machen deutlich: Es geht nicht allein um ökologische Themen. 

Um Missverständnisse zu vermeiden: An der ökologischen Transformation führt kein Weg vorbei. Aber die Fragen bleiben: wie, in welchen Schritten, zu welchem Preis. Gerade der russische Angriffskrieg in der Ukraine und die damit verbundene geopolitische Lage haben ein neues Nachdenken darüber ausgelöst, was fundamentale Interessen sind und was uns als Gesellschaft wirklich wichtig ist.     

Es lohnt daher in der Nachhaltigkeitsdebatte über mehr als „nur“ Ökologie zu sprechen. Unternehmen haben auch Verantwortung gegenüber Beschäftigten und gegenüber dem Umfeld, in dem sie agieren. Das geht weit über ökologische Themen hinaus – Stichworte sind Einkommen, Wertschöpfung, Arbeit und Ausbildung, aber auch zunehmend die Versorgungssicherheit. 

Darüber hinaus können Transformationen nicht über Nacht gelingen. Sie benötigen oft Zeit für neue Lösungen und Innovationen, die funktionieren und auch wirtschaftlich umsetzbar sein müssen. Das lässt sich ganz praktisch an konkreten Konfliktfeldern deutlich machen.  

Nehmen wir die Stahlindustrie, eine Branche mit hohem CO2-Ausstoß, aber eben auch eine relevante Branche mit vielen Arbeitsplätzen, die einen für viele nachgelagerten Branchen relevanten (und, einmal produziert, auch sehr klimafreundlichen!!) Grundstoff erzeugt. In dieser Güterabwägung wird Politik kaum zu dem Schluss kommen, die Existenz der Branche bewusst zu gefährden.  

Ein anderes Beispiel ist die Landwirtschaft. Weniger Pflanzenschutz, weniger Düngung, mehr Bio – die ökologischen Forderungen sind bekannt. Und ohne ihre Berechtigung zu diskutieren: Ihnen gegenüber stehen Güter, die für eine nachhaltige Gestaltung ebenfalls von elementarer Bedeutung sind: die Überlebensfähigkeit der Betriebe, Einkommen und Perspektiven im ländlichen Raum, aber auch die Versorgungssicherheit im ganzen Land.  

Die Beispiele lassen sich weiter fortsetzen. Die regionale Wertschöpfung kann genauso zum nachhaltigen Thema werden wie der kurze Weg vom Hersteller zum Kunden. Es lohnt sich also, die Debatte um die nachhaltige Transformation der Wirtschaft zu führen. Und es lohnt sich, diese Debatte sehr strategisch zu führen und den Begriff der Nachhaltigkeit mit Blick auf alle drei Dimensionen – ESG – zu prägen. Denn Nachhaltigkeit hat auch mit dem Erhalt von Wirtschaftskraft und sozialer Leistungsfähigkeit zu tun. Am Ende gilt die Binsenweisheit: Wenn ich Industrie nachhaltig transformieren möchte, muss ich sicherstellen, dass es diese Industrie auch eine Zukunft hat.

Nachhaltigkeitsberichte als Startpunkt

Nachhaltigkeitsberichte und ESG Reportings jeglicher Art sind in diesem Verständnis nicht das Ergebnis, sondern Startpunkt und Quelle für die Nachhaltigkeitskommunikation. Sie führen alle Themen und Fakten zusammen. Von Wirtschaftsprüfer:innen geprüft liefern sie zudem den Beweis: Was wir erzählen, ist seriös erhoben und relevant – ein gewichtiges Argument gegen etwaige Greenwashing-Vorwürfe.  

Die strategische Nachhaltigkeitskommunikation als solche fängt jetzt erst richtig an. Denn jetzt geht es darum, aus dem „Kapitalstock“ Reporting die Themen zu identifizieren, die sich für die weitergehende Nachhaltigkeitskommunikation nutzen lassen. In der politischen Kommunikation, in der Finanzkommunikation, im Employer Branding und in der Produktkommunikation: Es geht am Ende um ein „Mainstreaming“ nachhaltiger Themen in die Unternehmenskommunikation.

Gute Stories gehören dazu. Gemeint ist aber mehr. Gemeint ist die Integration strategischer Narrative, Themen und Fakten in die Unternehmenskommunikation, die die relevanten Leistungen des Unternehmens in den thematischen Block „Nachhaltigkeit“ integrieren und dabei die übergeordnete Botschaft vermitteln: Wir sind Teil der Lösung. Mit uns gelingt nachhaltige Transformation – in allen Dimensionen – besser als ohne uns. Dann wird Nachhaltigkeitskommunikation zum Tool, um unternehmerische Ziele zu unterstützen und abzusichern.

7 Säulen zum nachhaltigen Glück

Grund genug, die Nachhaltigkeitskommunikation strategisch aufzustellen. Bei der strategischen Planung orientieren wir uns an den folgenden Eckpunkten: 

  • Den Begriff ganzheitlich besetzen – Nachhaltigkeit ist vielmehr als Öko-CSR. Auch der Erhalt von Arbeit und Wertschöpfung zählt. Es geht um das Gesamtpaket aus Ökologie, Ökonomie, Ethik und Soziales.  
  • Kommunikation einbinden – Reportings sind oft regulative Pflichtaufgaben, die nicht unbedingt in der Kommunikationsabteilung erstellt werden. Binden Sie diese früh mit ein, so dass die kommunikativen Potentiale früh identifiziert und berücksichtigt werden können.  
  • Zeigen, was man hat – Machen Sie Bestandsaufnahme und tragen Sie zusammen, was Ihre Organisation schon heute zu einer nachhaltigen Wirtschaft beiträgt. Sie werden feststellen: Sie haben mehr zu erzählen, als Sie denken.    
  • Die Roadmap skizzieren – Sie sind noch nicht klimaneutral? Das ganze Land ist noch nicht klimaneutral. Das wird man Ihnen verzeihen. Aber was man Ihnen nicht verzeihen wird: Wenn Sie nichts sagen. Machen Sie deshalb deutlich: Sie sind auf dem Weg, Sie haben eine Roadmap. 
  • Zielkonflikte benennen – Nachhaltigkeit hat ihren Preis und ist nicht immer marktkonform. Das gilt vor allen Dingen auf globalen Märkten. Kommunikation muss Zielkonflikte benennen und deutlich machen, wo Wirtschaft, Politik und Gesellschaft nur gemeinsam zum Erfolg kommen können.     
  • Teil der Lösung sein – Wer sich wegduckt, verliert. Wer schweigt, wird zum Teil des Problems. Werden Sie aktiv, machen Sie Angebote, gehen Sie in den kommunikativen Lead. Auch da, wo es manchmal unbequem wird. Dann können Sie Themen setzen, Ihre „Güter“ in die Abwägung bringen und deutlich machen: Wir sind Teil der Lösung. Nachhaltige Transformation geht mit uns besser als ohne uns.   
  • Zur Chefsache machen – Nachhaltigkeitskommunikation macht erstmal Arbeit, ist aber als „hartes“ Thema noch nicht überall gelernt. Deshalb braucht sie den Rückhalt von ganz oben. Machen Sie Nachhaltigkeit zur Chefsache. 

Noch ein Wort zur CSRD / Update

Mit der Verabschiedung der CSRD hat die EU ESG-Berichterstattung zur Pflicht für mehr als 15.000 Unternehmen allein in Deutschland gemacht. Die dazugehörigen Standards, die ESRS, sind auf der Zielgeraden (Update 31.07.2023: Die dazugehörigen Standards, die ESRS, sind inzwischen von der Europäischen Kommission verabschiedet; zur offiziellen Meldung). Das aus unserer Sicht wichtigste Ergebnis der letzten Überarbeitungen: Die Anzahl der tatsächlichen Pflichtthemen wurde reduziert. Dadurch gewinnt der Prozess der Wesentlichkeitsanalyse deutlich an Gewicht. 

Im Jahr 2025 geht es los. Erst für die Unternehmen, die schon nach heutigen Anforderungen nfE-pflichtig sind. Ab 2026 müssen dann alle mit mehr als 250 Beschäftigten, 40 Mio. € Umsatz und/oder 20 Mio. € Bilanzsumme für das Jahr 2025 berichten. De facto heißt das: Am 31.12.2024 muss alles vorbereitet sein, damit die entsprechenden Daten strukturiert erhoben werden können. Die Veröffentlichung der finalen ESRS ist für Ende 2023 angekündigt. Auch wenn bis dahin noch einiges zu klären ist: Unternehmen sind gut beraten, sich möglichst früh auf das neue Regelwerk vorzubereiten.

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