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Frauen in Healthcare

Female Empowerment: Manchmal muss es knallen

Der Ruf nach mehr Frauen in Führungspositionen ist noch längst nicht verhallt. Obgleich sich seit 2015, als das Führungspositionen-Gesetz eingeführt wurde, schon an der einen oder anderen Stelle etwas getan hat, bleibt es in der Realität vielfach bei der Theorie – die Umsetzung sieht anders aus: Nach wie vor gibt es mehr Männer als Frauen in Führungspositionen und das auch in der sonst sehr weiblich besetzten Healthcare-Branche. Dennoch gibt es Gegenbeispiele. Ein Erfolgsstück in drei Akten.

Prolog. In der Pharmaindustrie sind 39,2 Prozent der Mitarbeitenden in Vollzeit weiblich. Auch der Anteil an Wissenschaftlerinnen und Technikerinnen ist mit 46 bzw. 56 Prozent in der Pharmabranche so hoch wie in kaum einem anderen Industriezweig.[1] Im Management sieht das schon wieder anders aus: Nur 21 Prozent in der Führungsebene sind weiblich.[2] Es geht nicht darum, warum das so ist. Sondern darum, wie es zukünftig anders geht. Dabei interessiert uns insbesondere der Blick in den Bereich Marketingkommunikation.

1. Akt. Keine Macht den Unsicherheiten

Welche generellen Hürden es für Frauen auf dem Weg nach oben gibt, wird immer wieder analysiert und wurde ausführlich beleuchtet. Ganz persönlich wird es im Gespräch mit Carolin Crockett (External Communications Director, Pfizer in Deutschland), Sabine Reinstädler (Head PR & Communication, AstraZeneca Deutschland) und Nina Zeletzky (Corporate Communications & Digital Media Lead Central Europe, Zoetis Deutschland GmbH). Darin zeichnet sich ab, dass nicht ausschließlich die äußeren Umstände Barrieren schaffen, sondern vielmehr das eigene Denken und Handeln. „Die größte Hürde war das Gedankenkarussell in meinem Kopf. Angetrieben von eigenen Unsicherheiten und vereinzelten schlechten Ratschlägen anderer. Dass meine Familienplanung mich ausbremsen könnte – wer vor dem Baby keine Führungsrolle erreicht hat, kriegt auch erstmal keine mehr. Dass ich zu freundlich oder nahbar sei – gerade als Frau müsse man sich tough geben, um ernst genommen zu werden. Dass mir das Gesichtsalter fehle, um ein Team zu führen – als Frau gelte man lange als zu jung und dann schlagartig als zu alt. The list goes on. Zum Glück hat sich nichts davon bewahrheitet“, sagt Carolin Crockett rückblickend. Sabine Reinstädler geht es ähnlich: „Eigentlich würde ich fast sagen, dass ich selber immer mal wieder meine eigene größte Hürde bin. Die Frage, was traue ich mir selbst zu und wie weit wage ich mich nach vorn bzw. nach oben, beschäftigt mich immer wieder. Das ist zum einen gut, denn es treibt einen an und hilft, sich zu fokussieren. Andererseits darf man sich davon nicht den ‚Spaß und Stolz‘ an der Weiterentwicklung nehmen lassen.“ Nina Zeletzky verdankt einem vermeintlichen Rückschritt den Sprung nach vorn: „Organisatorische Veränderungen als Chancen zu nutzen war sicherlich herausfordernd. Besonders der Schritt aus dem internationalen Marketing ‚zurück‘ in unsere deutsche Organisation war eine Umstellung für mich und hat mich im ersten Moment Überwindung gekostet. Mir war erst später klar, dass dieser ‚Side-Step‘ richtig und wichtig war – zum einen, weil der Weg nicht immer nur in eine Richtung gehen kann bzw. muss, zum anderen, weil ich jetzt weiß, dass es eine wichtige Erfahrung war, die mein Profil noch besser abgerundet und mich auch flexibler gemacht hat.“

2. Akt. Ein feines Netzwerk

Neben der Überzeugung von den eigenen Fähigkeiten spielt auch ein gutes Netzwerk eine entscheidende Rolle auf dem Weg nach oben. Einige Unternehmen fördern den Austausch von Frauen mit Personen im Management daher ganz bewusst. Zum Beispiel mit entsprechenden Mentor:innenprogrammen und Gruppen, die Frauen mit Frauen zusammenbringen, um die Chancengleichheit weiter voranzutreiben und der Gender Pay Gap entgegenzuwirken. Für Sabine Reinstädler war ihr damaliger Chef der hilfreichste Unterstützer: „Ich wurde immer mal wieder ins kalte Wasser geschmissen und konnte mir selbst beweisen, dass ich es kann. Gleichzeitig habe ich immer viel Vertrauen bekommen, durfte selbständig arbeiten und meine eigenen Stärken kennenlernen und dann ausbauen. Dabei wusste ich, dass ich in Krisen und bei Fragen immer Ansprechpartner:innen und Supportende habe. Das hat mir den notwenigen Mut für den nächsten Schritt gegeben. Wichtig ist zudem der ständige Austausch mit guten Kolleg:innen, denen man vertrauen kann. Das hilft immer mal wieder, die Perspektive zu wechseln und allein durch das Diskutieren von Aufgaben zu neuen Lösungen zu finden. Und ein Team, das an einen glaubt und gemeinsam in dieselbe Richtung strebt, gibt viel Stärke und macht Erfolg erst möglich.“ Der Team-Gedanke trägt auch Carolin Crockett bis heute: „Freundinnen, mit denen ich beim Wein Weltherrschaftspläne geschmiedet habe, und die mich immer wieder ermutigt haben, Chancen zu ergreifen und mich neuen Herausforderungen zu stellen, das waren die größten Unterstützerinnen. Ebenso Teams bzw. Kolleginnen und Kollegen, von denen ich lernen durfte, und die mich in den entscheidenden Momenten für Projekte und Rollen vorgeschlagen haben. Vorgesetzte, die mich inspiriert, geprägt und gefördert haben. Und mein Partner, der mich erdet und mir den Rücken freihält. Auf all diesen Support bin ich übrigens in meiner heutigen Führungsrolle genauso sehr oder eigentlich noch dringender angewiesen. Führung ist Teamwork. Im wahrsten Sinne des Wortes.“ Bei Nina Zeletzky waren es ebenfalls die bisherigen Vorgesetzen sowie einige Kolleg:innen, die ihr mit Rat und Tat zur Seite standen – aber nur in zweiter Linie: „In erster Linie habe ich tatsächlich immer versucht, an mich selbst und an meine Fähigkeiten zu glauben. Außerdem halte ich Selbstreflektion für wichtig und entscheidend. Ich denke, all das ist fast noch wichtiger als Unterstützung von außen.“

3. Akt. Die Fäden zusammenführen

So einfach das vielleicht klingen mag: Sich seiner Stärken bewusst zu werden, sie zu nutzen und auf die richtigen Fördernden zu treffen, ist kein Zufall, sondern ein hartes Stück Arbeit. Angefangen bei sich selbst. „Suche dir Personen, die Dich motivieren und suche Dir Vorbilder. Aber versuche nicht so wie sie zu werden, sondern nutze sie, um Deine eigene Persönlichkeit zu verstärken und stelle sicher, dass Deine Persönlichkeit gesehen wird“, rät Sabine Reinstädler. Nina Zeletzky ergänzt: „Es ist notwendig, sich viel mit sich selbst auseinanderzusetzen und zu reflektieren. Sich Fragen zu stellen wie: Warum bin ich, wie ich bin? Warum will ich Führungskraft sein? Will ich fachlich oder disziplinarisch führen? Was macht mich aus? Was kann ich anderen mitgeben? Was triggert mich und warum? Was hat mir an meinen eigenen Führungskräften gut gefallen und was nicht? Wofür will ich stehen? Welche Werte vertrete ich? Am Anfang weiß man vieles einfach nicht – da ist es umso wichtiger, sich selbst treu zu sein und so den eigenen Weg zu finden. Aus meiner Sicht ist es außerdem wichtig, Führung nicht als Status zu sehen und die Dimension dieser Aufgabe nicht zu unterschätzen.“ Carolin Crockett geht in Sachen Unterstüzter:innen noch ein Stück weiter. Sie sagt: „Augen auf bei der Vorgesetzten- und bei der Partner:innenwahl. Je positiver und unterstützender eure beruflichen und privaten Umfelder aussehen, desto besser stehen die Voraussetzungen dafür, dass ihr eure Ziele erreicht.“

Auch bei komm.passion werden Frauen unterstützt, um ihre Führungspersönlichkeit weiterzuentwickeln, Hindernisse zu identifizieren und abzubauen und sich ein Netzwerk an wertvollen Kontakten zu schaffen. Unser agiles System, das bewusst darauf basiert, immer wieder die eigene Rolle zu wechseln, ist ein wichtiger Pfeiler. Innerhalb des Systems ist ein weiterer Pfeiler unser Mentor:innenteam. Das ganze System fördert die Chancengleichheit und die neutrale Aufgabenverteilung, in dem schon Trainees die Möglichkeit haben, sich in der Rolle von Entscheidungstragenden wiederzufinden. Teilzeitmodelle für Frauen – und Männer! – sind bei uns gelebte Arbeitsrealität.  

Epilog Dass mehr Frauen in Führungspositionen gehören, ist gesetzt. Wie sie dorthin kommen, hat nicht nur etwas mit den äußeren Umständen zu tun. Diese drei Beispiele zeigen, dass Frauen in Healthcare durchaus das Potenzial haben, an der Spitze zu stehen. Dazu braucht es vor allem Mut, Selbstvertrauen und Fördernde. So kann es womöglich eines Tages gelingen, die viel zitierte gläserne Decke, die Frauen den Weg nach oben verwehrt, mit aller Kraft und ein für allemal zu zertrümmern.

Zu den Personen

Carolin Crockett ist Unternehmenssprecherin und leitet das zehnköpfige Team der externen Kommunikation von Pfizer in Deutschland. Sie arbeitet seit mehr als zehn Jahren in der Gesundheits- und Wissenschaftskommunikation auf deutscher und internationaler Ebene. Bevor sie 2019 zu Pfizer nach Berlin wechselte, war sie bei AbbVie Deutschland in Wiesbaden in der Unternehmens- und Produktkommunikation tätig. Carolin Crockett hat an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Publizistik und Kommunikationswissenschaften studiert. 

Sabine Reinstädler hat direkt nach ihrem Studium der Rhetorik, Englischen Literatur und Linguistik des Deutschen als Volontärin in einer Agentur angefangen und dort die gesamte Karrierekaskade von der Junior-Beraterin bis zur Geschäftsführerin durchlaufen. Ihr Fokus lag dabei auf der Gesundheitsbranche: Pharma, aber auch Krankenkassen, Krankenhäuser, Medizintechnik und Verbände. Nach knapp 2 Jahrzehnten Agenturalltag machte sie dann den Sprung ins Unternehmen, der ihr eine neue Perspektive, neue Aufgaben und neue Vernetzungsmöglichkeiten bietet. Seit 2020 ist Sabine Reinstädler als Head PR & Communications bei AstraZeneca tätig. 

Als ausgebildete Kauffrau für Bürokommunikation war Nina Zeletzky zunächst 4 Jahre lang als Assistenz bei Zoetis beschäftigt. Mit ihrem Wechsel ins Marketingmanagement folgte parallel ein berufsbegleitendes Studium in International Business Communication. Seit 2021 absolviert Nina ein weiteres berufsbegleitendes Master-Studium in Global Management & Communications und leitet außerdem bei der Zoetis Deutschland GmbH als Communications Lead die interne und externe Unternehmenskommunikation in Zentraleuropa.