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PAS-Studie zu Merkel versus Schulz

Die „Burger-Falle“: Wie „St. Martin“ seinen Heiligenschein verlor

Der Zauber verblasste schnell. Anfang des Jahres noch galt Martin Schulz als der Messias. Der Retter, der die SPD aus der Krise führt. Ein Kandidat, der Dauerkanzlerin Merkel ablöst. Doch auf Euphorie folgte Ernüchterung. Umfragewerte, Saarland-Wahl – es ist nicht zu übersehen: Mit dem, wofür Schulz bisher steht, kann er keine Mehrheit hinter sich bringen. PAS beleuchtet in einer aktuellen Studie die Hintergründe dieser Entwicklung. Und: PAS prüft, aus welchen Quellen das Wasser stammt, das Schulz bei seiner ersten Rede quasi zu Wein machte. Dabei nehmen wir Helmut Kohls Antrittsrede als Parteivorsitzender aus dem Jahr 1973 unter die Lupe – mit unerwarteten Erkenntnissen.

Wer sind die Schulz-Fans? Wer steht hinter Merkel?

Wir wollten wissen: Was bewegt die Schulz-Anhänger? Wo stehen sie in der Gesellschaft? Welchen Anteil haben sie rein zahlenmäßig? Wen hat Kanzlerin Merkel hinter sich? Und: Wie neu ist Martin Schulz wirklich? Mithilfe von „Social Media Analytics“ hat PAS die Lebenswelten der Fans von Merkel und Schulz untersucht und durch KI-Algorithmen entschlüsselt. Durch ihre „Likes“ offenbaren die Kandidaten-Fans bei Facebook ihre Lebenswelten. Unverfälscht und unmittelbar. Bei der Analyse lassen sich neuronale Netzwerke erkennen und über das „soziale Genom“ Rückschlüsse auf die Milieus der Fans der beiden Kanzlerkandidaten ziehen. Interessant dabei: Welche Anteile haben diese Milieus an der Gesamtbevölkerung – und wie viele Wähler lassen sich über sie mobilisieren?

Gut-Menschen leisten sich Schulz

Es ist noch nicht lange her, da feierte die SPD. Mit der Nominierung von Martin Schulz als Kanzlerkandidaten schien ein Coup gelungen. Euphorie in Partei und Presse. Schulz der Erlöser aus der Krise. „St. Martin“ titelt der Spiegel. Auf Twitter macht #Gottkanzler die Runde. Und der ehemalige Europaparlamentschef Schulz tat das seine, um den Eindruck, er sei der Retter, zu untermauern.

Martin Schulz gibt sich als Mann mit Ecken und Kanten. Nebenbei bemerkt, ein kluger Zug. Denn Elitenverdruss und Lust am Wandel bestimmen nicht erst seit Trump das Wahlverhalten weltweit. Schulz sagt seine Meinung. Klar und deutlich. Im Europaparlament hat er eine gute Figur gemacht. Wenn es um ihn als Person geht, spricht er Klartext. Und: Seine zentrale Botschaft – mehr Gerechtigkeit – kann wohl kaum jemand als falsch abtun. Schulz bietet also eine seriöse Alternative für jene Wähler, die kein „Weiter-so“ wollen. Protest gepaart mit Intellektualität zeichnet deshalb auch einen beträchtlichen Teil seiner Fan-Base auf Facebook aus.

Die Bürgerbewegung Campact findet hier auffallend großen Anklang. Auch beliebt: das Satiremagazin „Der Postillion“, zeitonline, Ärzte ohne Grenzen, fairtrade und Amnesty international. Allesamt Indikatoren für eine Zugehörigkeit zum liberal-intellektuellen Milieu. Hier sammeln sich Menschen mit einem hohen Sozialstatus. Menschen, die es sich leisten können, „Gutes“ zu tun. Hält man sich den Pressejubel über Martin Schulz vor Augen, liegt der Schluss nahe, dass nicht wenige Presseleute aus eben diesem Milieu stammen. Das wäre für Schulz nicht weiter bedrohlich hinsichtlich seiner Chancen auf die Kanzlerschaft, wenn, ja wenn die Gruppe der Liberal-Intellektuellen demoskopisch keine Randgruppe wäre.

Die Schulz-Fans: Wie das Brötchen beim Burger

Überträgt man die „sozialen Genome“, die PAS aus der Analyse der Fans von Schulz und Merkel gewonnen hat, beispielsweise auf die SIGMA-Milieus® in Deutschland, tritt ausgesprochen Ernüchterndes zutage: Es sind nur „Randgruppen“, die der Kanzlerkandidat bisher begeistert. Und wie es am Rand nun mal so ist: Üppig ist anders. Gerade einmal 9,4 Prozent der Bevölkerung werden dem liberal-intellektuellen Milieu zugerechnet. Und bei der zweiten Gruppe, die uneingeschränkt hinter Schulz steht, wird’s noch dünner. Diese Gruppe hebt den Daumen bei Gewerkschaften, Grundeinkommen, der Arbeiterwohlfahrt und Vielem rund um Fußball.

Vom Aussterben bedroht: Das traditionelle Arbeitermilieu

Das sind Vorlieben, die sich als Indikatoren für das traditionelle Arbeitermilieu werten lassen. Ein Milieu, das rein historisch zur SPD passt wie der Wahlzettel in die Urne. Nur: Viele Wahlzettel kommen über diese gesellschaftliche Gruppe nicht mehr zusammen. Dem traditionellen Arbeitermilieu lassen sich heutzutage gerade noch einmal 3,9 Prozent der Deutschen zurechnen. Die Zeiten, in denen die Sozialdemokraten als „linke Volkspartei“ mit einer selbstbewussten Arbeiterschaft rechnen – und gewinnen – konnten, sind endgültig passé. Das Arbeitermilieu schrumpft beständig. So beseelt der klassische Arbeiter von Schulz auch sein mag, große Wählermasse bringt das nicht. Wer die Wahl gewinnen will, muss die Mitte der Gesellschaft auf seine Seite bringen. Und die fühlt sich – derzeit – wohl bei und unter der Kanzlerschaft von Merkel.

Veränderung? Ja. Die Frage nur: Durch wen?

Jene Wähler, die Veränderung wollen, wissen noch nicht so recht, wem sie diese zutrauen. Die PAS-Analyse belegt: Schulz-Fans liebäugeln stark mit der Linken oder den Grünen. Je nachdem, wie sich Schulz vor der Wahl positioniert, werden sie ihr Kreuz entweder hier oder dort machen. Mag der frisch gekürte Kanzlerkandidat in den eigenen Reihen (und im nahen Umfeld) noch so für frischen Wind gesorgt haben, beim Wahlvolk ist dieser Wind (noch) nicht angekommen. Bevor sich hier etwas bewegt, muss die Brise deutlich an Stärke zulegen. Bis dahin bleibt der „Schulz-Effekt“ Beiwerk, sozusagen „das trockene Brötchen rund um den saftigen großen Fleischhappen“ CDU.

Die Merkelfans: Die saftige Mitte im Burger

Das liegt nun auch daran, dass sich die meisten in „diesem unseren Land“ (Zitat Kohl) , im zwölften Jahr unter Kanzlerin Angela Merkel ganz gut eingerichtet haben. Merkels Taktik, möglichst wenig Angriffsflächen zu bieten, scheint aufgegangen. Ihr Ruf als „mächtigste Frau der Welt“, als bedachte und beständige Hüterin einer prosperierenden Wirtschaft beschert ihr eine breite Anhängerschaft. Das traditionell bürgerliche Milieu findet Merkel ebenso gut wie das moderne Arbeitermilieu oder die Hedonisten. Ihre Fans liken Lidl und Nutella ebenso wie Barack Obama; Mercedes Benz ebenso wie Deichmann.

Merkel ist Mainstream

Auch wenn das Agieren in der Flüchtlingskrise Merkel Feinde ¬eingebracht hat – und sich diese auch als Schulz-Anhänger im Fanblock von „Sag nein zu Merkel“ treffen – bei „Mutti“ fühlt sich die Mehrheit wohl. Wobei sich die aufstiegsorientierte Haltung der Merkel-Fans auch in überdurchschnittlich vielen Likes für eine Marke wie Hugo Boss spiegelt. Zusätzlich mag der typische Merkel-Fan den Mainstream. Selbst einfachster Unterhaltung gegenüber ist er nicht abgeneigt. Auch wenn es zwischen der Kanzlerin und TV-Sternchen Daniela Katzenberger auf Anhieb nicht so viele Übereinstimmungen gibt – bei Facebook finden viele beide gut.

Manko bei Schulz: Neu aber nicht modern

Wie ein Joker tauchte Martin Schulz im Politpoker auf. Aber im Hinblick auf die Wahl hat er noch keinen überzeugenden Trumpf ausgespielt. Bei der Analyse des sozialen Genoms der Schulz-Anhänger überraschte die Experten von PAS: Selten gab es eine so klare Trennung auf der Modernitätsachse zwischen zwei Untersuchten. Kurz: Je moderner, desto weniger Schulz. Likes für Energy-Drinks, Privatsender oder Hersteller von Digitaltechnik finden sich wesentlich häufiger bei den Anhängern von Merkel. Die Schulz-Fans dagegen bekennen sich eher dazu, die Hörzu zu lesen oder gerne zu wandern.

Schulz, der „Junge von nebenan“, der Fußballspieler, ehemalige Buchhändler und langjährige Bürgermeister, wirft derzeit – außer einer guten Portion Hoffnung – noch nichts substanziell Neues in den Ring. Im Gegenteil: Vergleicht man seine Antrittsrede vom 29. Januar 2017 mit der, die Helmut Kohl am 12. Juni 1973 beim Antritt als Parteivorsitzender der CDU hielt, so trifft man auf erstaunliche Parallelen.

Kohl reloaded?

Ein Rückblick: Die CDU, in der Kohl 1973 den Vorsitz von Rainer Barzel übernimmt, steckt in der Krise. Ein Zustand, der auch der SPD 44 Jahre später bestens vertraut ist. Den neuen Parteivorsitzenden obliegt es, in ihrer Antrittsrede, Begeisterung zu entfachen, Hoffnung zu schüren und das Bild einer besseren Zukunft für alle Menschen unter der Führung ihrer Partei zu entwerfen.

Doch erst einmal gilt es, den Ernst der Lage zu beschwören. Das klingt dann so: „Meine Freunde, ein jeder von uns spürt, dass unsere Partei vor einem wichtigen Abschnitt ihrer Geschichte steht.“ Oder so: „Überall ist es zu spüren: Die Aufbruchsstimmung und die neue Hoffnung in der Partei sind nicht nur hier im Saal, sondern auch im ganzen Land greifbar.“ Die erste Aussage stammt vom Kohl, die zweite von Schulz. Sie hätten allerdings auch tauschen können, ohne bei ihren Parteifreunden auf lauthalsen Protest zu stoßen. Wohl auch, ohne dass es jemand überhaupt bemerkt hätte.

Und auch wenn im Folgenden unterschiedliche Namen als wichtige Wegbereiter aus glorreichen Zeiten ins Feld geführt werden: Auf das große Erbe – sei es von Willy Brandt oder von Konrad Adenauer – schwören beide „Neuen“ die Parteimitglieder ein. Gebührend feiern sie alsdann die steigenden Mitgliederzahlen. Kohl formuliert hier etwas formalistisch und nicht ganz glücklich „Zunahme unser Mitglieder“. Schulz, der sowieso einen direkteren, wenig abgehobenen und natürlich klingenden Sprachduktus pflegt, redet von „Menschen, die in die SPD eingetreten sind“. Und „Menschliches“ ist dann auch bei beiden Antrittsreden zentral.

Gemeinsamer Fokus: Der Wert der Werte

Auffallend bei der semantischen Analyse durch PAS: Sowohl Kohl als auch Schulz beschwören Werte und stellen den Menschen in den Mittelpunkt ihrer Ausführungen. Der „Ur-Kohl“ nutzt dabei gerne den Begriff „Würde“, „Rot-Kohl“ Schulz liebt das Wort „Respekt“. „Die Menschen, die den Laden am Laufen halten, haben Respekt verdient“, meint Schulz. Und ihm geht es um „Gerechtigkeit“. Dabei bringt er – und hier liegt ein Unterschied zu Kohl – auch bildhafte Beispiele wie „den kleinen Bäckerladen“.

Bedeutender Unterschied: „Retter Schulz“ hat eine persönliche Geschichte

Richtig bildhaft und konkret wird Martin Schulz allerdings dann, wenn er auf sich selbst zu sprechen kommt. Hier weidet er sich an Details. So wie er seine Biografie darstellt, würde sie auch als Buchklappentext taugen. „Als junger Mann sind meine Fußballträume dann zerplatzt und in dieser Zeit habe ich die Orientierung verloren. Ich weiß, was es bedeutet, wenn man vom Weg abkommt…“ Hier spricht ein Mensch aus Fleisch und Blut, ein Typ, der nicht als elitär wahrgenommen wird.

Schaut man auf das assoziative neuronale Netzwerk, das PAS aus den Schulz-Äußerungen erstellt hat, fällt ins Auge, wie stark er „Ich“ direkt mit „Partei“ und „Land“ verbindet. Von solcher Darstellung ist es nicht weit bis zum Empfinden: „Hier spricht ein Erlöser.“ Doch schaut man tiefer, dann fehlt genau das entscheidende Rettungskonzept. Stattdessen: Altbekannte schöne Zukunftsmalerei.

Goldene Hoffnung Rot/Schwarz

Bekannt ist das schon von Kohl. Er malte 1973 als Hoffnungsträger das Bild einer rosigen Zukunft mit der CDU an der Spitze. Mit geradezu biblischem Pathos formulierte er: „Denn dieser unser Staat, meine Freunde, ist mehr als eine Produktionsgenossenschaft für materiellen Wohlstand. Er ist eine Gemeinschaft der Lebenden, der Toten und der nach uns Kommenden.“ Ganz so pathetisch ist die Vision, die Schulz 44 Jahre später im Willy-Brandt-Haus präsentiert, zwar nicht, ihre Kernbotschaft jedoch ist ähnlich. Seine Vision kreist um Gerechtigkeit: „Wir wollen, dass es in unserem Land gerechter zugeht. Dass unsere Kinder eine Perspektive haben. Dass Deutschland ein Stabilitätsfaktor in Europa und in der Welt ist.“ Soweit hätte Kohl den Text wohl klaglos übernommen. Nur gegen den folgenden Satz hätte er sich gesperrt: „Dafür brauchen wir eine starke Sozialdemokratie.“

Über die Initiative PAS

Pragmatic Analytic Services (PAS) ist eine gemeinsame Initiative der Unternehmensberatung und Kreativagentur komm.passion und Data.Science.Consulting. komm.passion-CEO Prof. Dr. Alexander Güttler und Dr. Klaus Holthausen, CTO von Data.Science.Consulting, setzen sich mit PAS für eine neue Form effizienter, schlanker und punktgenauer Business-Analyse ein. PAS orchestriert nicht nur alle gängigen Analysemethoden, sondern bietet exklusive Tools wie die Social Media Analytics. Diese Online-Marktforschung liefert ein hochauflösendes Abbild der Lebenswelt der Marken-Fans. Sie zeigt, welche Vorlieben Marken-Fans im Social Web haben, indem sie deren Like-Angaben auswertet. Ein KI-Algorithmus entwirft das „soziale Genom“ der Zielgruppe als detaillierte Typologie.

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