Und die Grünen mit ihrem Spitzenduo Göring-Eckardt/Özdemir? Sie haben sich im Wahlkampf auf das ur-grüne Thema besonnen: auf den Umweltschutz. Anfangs belächelt, hat das Thema inzwischen enormes Potenzial entwickelt. Nicht zuletzt durch den Diesel-Skandal: Da riskiert eine ganze Branche die Glaubwürdigkeit von „Made in Germany“, nur weil das Thema „Umwelt“ noch in der Rubrik „Gedöns“ verortet ist.
Aber zumindest den Wahlplakaten fehlt der Mut, das mit der nötigen Aggressivität voranzutreiben. Umweltschutz gehört heute zum Standardrepertoire praktisch aller Parteien. Wer damit Menschen mobilisieren will, darf sich trauen, in der Abteilung „Attacke“ eine Schippe draufzulegen und auch auf Plakaten polarisierender aufzutreten. Hat da der Blick auf mögliche Koalitionen über den Kampf um das beste Ergebnis gesiegt?
Die Facebook-Fanbase würde diesen Schritt wohl mitgehen, das legt zumindest die PAS-Analyse nahe. Grünen-Anhänger geben sich in den sozialen Netzwerken sehr politisch. Die Seiten des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Kretschmann, ihrer beiden Spitzenkandidaten sowie der Europa-Grünen sind ihre ersten Anlaufstellen auf Facebook. Sie liken Greenpeace, die Deutsche Umweltstiftung und Initiativen gegen Atomkraft. Soziale Anliegen sind ihnen auch hier wichtig: Amnesty International, PRO ASYL, Attac und Fairtrade – eine Parallele zur Wählerklientel von Martin Schulz und der SPD: Für diese spielt gesellschaftliche Verantwortung eine ebenfalls große Rolle. Die „roten Socken“ liken die Arbeiterwohlfahrt, die IG Metall, Greenpeace, PRO ASYL und den WWF. Das schafft Nähe zu den Grünen und eine Perspektive entweder in einer gemeinsamen Opposition oder für die Post-Merkel-Ära.
Integration, gleiche Bildungschancen für alle, Pro Europa, die finanzielle Gleichstellung von Mann und Frau. Wiederkehrende Motive auf ihren Plakaten sind die Weltkugel und die Friedenstaube. Typische Parolen lauten „Umwelt ist nicht alles. Aber ohne Umwelt ist alles nichts.“, „Zukunft kann man wollen. Oder machen.“. Das Machen ist das Problem. Die Bündnis-Grünen möchten handeln, also mitregieren, nicht nur reden. Das klappt aber nur bei einem entsprechenden Wahlergebnis, in dem die Union auf sie angewiesen wäre, um an der Macht zu bleiben. Denn: Weite Teile der CDU/CSU-Basis fremdeln mit den Grünen. Und das liegt nicht einmal an den beiden grünen Spitzenkandidaten. Cem Özdemir ist – zumindest in den sozialen Medien – beliebt auf breiter grüner Front. Anhänger von Winfried Kretschmann, dem zahlreiche Grünen ein CDU-Parteibuch schenken möchten, bis hin zu denen des Parteilinken Hans-Christian Ströbele liken Özdemir auf Facebook. Auch Fans der beiden „deutschen Macrons“, Jens Spahn und Christian Lindner, machen keinen Hehl aus ihrer Sympathie für den grünen Spitzenmann. Bei den Anhängern von Katrin Göring-Eckardt sieht es nicht viel anders aus. Sie schätzen sogar CDU-Mann Peter Altmaier außerordentlich. Leider bleibt die Liebe, zumindest in den sozialen Netzwerken, unerwidert.
Die Fans von Bündnis 90/Die Grünen treten in Social Media ein gegen Rechts, für Bürgerbeteiligung (Compact, Avaaz) und Transparenz (abgeordnetenwatch). Sie geben Seiten, die sich rund um Bio und vegane Ernährung drehen, ein Like. Zerstreuung suchen die Grünen gern beim intellektuellen Zeitvertreib: Arte, ZDF Neo und Politsatire von extra 3 sind erste Wahl. Die Fans von Cem Özdemir zieht es sogar zum Ballett. Ist es am Ende die Intellektualität, die den Grünen den Weg zu „10 plus x“ Prozent versperrt?
Der von der Wählerbasis vorherbestimmte Koalitionspartner der Union nach der Bundestagswahl ist mit der FDP also praktisch ausgemacht. Wenn die Wähler mitspielen. Und wenn nicht noch Unvorhergesehenes allen Prognosen einen fetten Strich durch die Rechnung macht – zum Beispiel zu Gunsten der LINKEN oder der AfD.