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Praxiswissen Kommunikation

Kommunikation als Erfolgsfaktor bei Restrukturierungen

In turbulenten Zeiten ist Kommunikation kein „Nice-to-have“, sondern der zentrale Erfolgsfaktor jeder Transformation. Sie liefert Orientierung, erhält Vertrauen und schafft Akzeptanz – ohne sie scheitern rund 70 % aller Restrukturierungen an Widerstand oder Produktivitätseinbußen. 90 % der Sanierungsexpert:innen sehen Transparenz und konsistente Botschaften daher als kritisch für das Gelingen schwieriger Maßnahmen. 

Denn Kommunikation sorgt dafür, dass eine Restrukturierung nicht nur auf dem Papier, sondern auch im Kopf und Herzen der Menschen funktioniert. komm.passion | Team Farner erläutert in diesem Dossier, warum Kommunikation ins Zentrum des Restrukturierungsprojekts gehört.

 

In wirtschaftlich unsicheren Zeiten sind Restrukturierungen und die damit verbundenen Herausforderungen für die Kommunikation zunehmend wichtig. Immer mehr Unternehmen in Deutschland befinden sich in existenziellen Schwierigkeiten.  

Laut dem ifo Institut stieg der Anteil der Firmen, die Ende 2024 akut um ihre wirtschaftliche Existenz fürchteten, auf 7,3 % (von 6,8 % im Vorjahr). Der Kreditversicherer Allianz Trade erwartet nach einem Anstieg um 10 % im Jahr 2024 einen weiteren Zuwachs der Pleiten um 6 % (bisher 3 %) im Jahr 2025 und nochmals 3 % im kommenden Jahr. Der Anstieg ist auf drei Faktoren zurückzuführen: die verzögerte Lockerung der Zinssätze, das anhaltend unsichere Umfeld und die schwache Erholung der Nachfrage. Viele Unternehmen stehen daher am Rande einer Restrukturierung. 

Eine Restrukturierung bringt weitreichende Veränderungen für Unternehmen und Mitarbeitende mit sich. Ein kritischer Erfolgsfaktor, der oft vernachlässigt wird, ist die professionelle Kommunikation. Untersuchungen, unter anderem von K. S., Cameron, und R. E Quinn, zeigen, dass viele Restrukturierungen das Unternehmen zwar finanziell retten, aber die Mitarbeitenden unter den Veränderungen ‚von oben‘ leiden, was zu Misstrauen und Produktivitätseinbußen führt. Deshalb erreichen nur etwa 30 % der Restrukturierungen ihre finanziellen Ziele, da der „Faktor Mensch“ oft übersehen wird. Ohne überzeugende kommunikative Begleitung, drohen Change-Projekte an Akzeptanzproblemen zu scheitern. 

Strategische Kommunikationsarbeit ist in Krisenzeiten entscheidend für die Stabilität eines Unternehmens. Sie kann den Unterschied ausmachen zwischen einer Restrukturierung, die nur auf dem Papier erfolgreich ist und innerlich das Unternehmen schwächt, und einer Restrukturierung, die von Mitarbeitenden, Kapitalgebenden und der Öffentlichkeit unterstützt wird. Kommunikation ist ein zentraler Erfolgsfaktor jeder Restrukturierung, da sie Orientierung in unsicheren Zeiten bietet, Vertrauen in die Marke und das Führungspersonal erhält und maßgeblich zum Gelingen der Veränderungen beiträgt.  

Die Krisenexpert:innen von komm.passion | Team Farner vermitteln praxisnah, worauf es bei der Kommunikation in Restrukturierungsprozessen ankommt. Sie identifizieren typische Spannungsfelder und die Anforderungen für erfolgreiche Kommunikation. Zudem erklären sie, warum die frühe Einbindung externer Spezialist:innen, etwa wie interdisziplinäre Teams einer Kommunikationsberatung wie komm.passion | Team Farner, wertvolle Unterstützung bieten kann, um die vielfältigen Herausforderungen zu meistern. 

Kommunikation ist kein ‚Soft Factor‘ am Rande – sie entscheidet über Erfolg oder Scheitern einer Restrukturierung.

Thomas Ullrich Strategic Advisor & Director komm.passion | Team Farner

Typische Spannungsfelder in Restrukturierungen

Eine Restrukturierung ist kein gewöhnlicher Veränderungsprozess, sondern findet unter hohem Druck und großer Unsicherheit statt. Daraus ergeben sich kommunikative Spannungsfelder, in denen sich Entscheidungstragende bewegen müssen. 

 

Unsicherheit und Vertrauensverlust 

Mitarbeitende fürchten um ihre Arbeitsplätze, Kund:innen und Partner:innen zweifeln an der Stabilität, Investor:innen an der Zukunft des Unternehmens. Ohne aktive Kommunikation entstehen Gerüchte und Misstrauen. Vertrauen aufzubauen ist jedoch erfolgskritisch, denn in Krisensituationen steht viel auf dem Spiel, und jeder hat unterschiedliche Interessen und Ängste. Ein Klima des Zweifels gefährdet die Umsetzung der notwendigen Maßnahmen.  

 

Divergierende Stakeholder:innen-Interessen  

In einer Restrukturierung prallen die Erwartungen verschiedener Gruppen aufeinander – Belegschaft, Management, Gesellschaf ter:innen, Betriebsrat/Gewerkschaften, Kund:innen, Lieferant:innen, Banken, Politik und Öffentlichkeit. Ihre Ziele sind nicht deckungs gleich und teils widersprüchlich. Kommunikative Botschaften müssen daher fein austariert werden, um alle mitzunehmen, ohne Widersprüche zu erzeugen. Eine enorme Herausforderung ohne professionelle Vorbereitung. 

 

Rechtliche Vorgaben und Timing  

Restrukturierungen unterliegen strengen rechtlichen Rahmenbedingungen. Bestimmte Informationen dürfen aus arbeits- und insolvenzrechtlichen Gründen erst zu bestimmten Zeitpunkten oder nur gegenüber bestimmten Parteien kommuniziert werden. Dieses enge Korsett erhöht das Risiko von Informationslecks und Fehlinformationen. Kommunikationsverantwortliche stehen im Spannungsfeld zwischen Transparenz und Compliance. 

 

Interne vs. externe Kommunikation  

Führungskräfte müssen sowohl gegenüber Mitarbeitenden und Führungskräften (intern) als auch gegenüber Medien, Kund:innen, Kapitalgebendende und Öffentlichkeit (extern) kommunizieren – und beides oft gleichzeitig. Die Kunst besteht darin, konsistente Botschaften zu senden, jedoch zugeschnitten auf die Bedürfnisse der jeweiligen Adressaten. Interne Kommunikation muss Empathie zeigen und den Beschäftigten das „Warum“ und „Wie geht es weiter“? vermitteln, um Akzeptanz zu schaffen. Externe Kommunikation wiederum muss Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens signalisieren – bei Kund:innen und Lieferant:innen genauso wie bei Investor:innen oder der Politik. 

 

Emotionen und Kultur  

Restrukturierungen sind hochemotionale Prozesse, bei denen Emotionen wie Angst, Frustration und öffentliche Empörung auftreten. Kommunikator:innen müssen diese Emotionen ernst nehmen und kanalisiert Gehör bieten, um nicht als empathielos wahrgenommen zu werden. Zudem spielen kulturelle Unterschiede eine wichtige Rolle, besonders in international aufgestellten Unternehmen. Kommunikationsgewohnheiten variieren je nach Region, wie Deutschland, Schweiz, Großbritannien oder USA. Direkte Ansprache, Feedback-Kultur und Erwartungshaltungen unterscheiden sich und erfordern regionalspezifische Formate oder angepasste Tonalität. 

Kommunikative Anforderungen in Sondersituationen

Angesichts der genannten Herausforderungen braucht es eine durchdachte, strategische Kommunikationsarbeit, die von Beginn an integraler Bestandteil des Restrukturierungsprojekts ist. Wesentliche Anforderungen dabei sind:  

 

Frühzeitige Planung und Einbindung  

Eine Kommunikationsstrategie sollte parallel zur Restrukturierungsplanung entwickelt werden und nicht erst nach den Sachentscheidungen. Idealerweise sind Kommunikationsprofis bereits in der Konzeptionsphase des Projekts involviert, um potenzielle kommunikative Fallstricke früh zu erkennen und Botschaften sowie das Timing auf den Projektplan abzustimmen. Eine klare Kommunikations-Roadmap, inklusive eines Krisenkommunikationsplans für unerwartete Entwicklungen wie Indiskretionen oder negative Medienberichte, sollte Teil des Gesamtprojektplans sein.  

 

Zielgruppenspezifische Botschaften und Kanäle  

Die Botschaften einer Restrukturierung müssen auf die jeweiligen Stakeholder:innen zugeschnitten sein. Mitarbeitende interessiert vor allem die Sicherheit ihrer Arbeitsplätze und die Zukunft des Unternehmens; Investor:innen wollen belastbare Zahlen und einen überzeugenden Sanierungsplan; Kund:innen und Partner:innen brauchen Gewissheit über die Kontinuität ihrer Geschäftsbeziehung. Diese unterschiedlichen Informationsbedürfnisse sollten in einer Kernstory vereint und für jede Zielgruppe passend „übersetzt“ werden. Dazu gehört auch die Auswahl geeigneter Kommunikationsformate.  

  • Townhall-Meetings  

  • Intranet-Artikeln für die Belegschaft  

  • Q&A-Dokumente für Führungskräfte  

  • Pressemitteilungen oder Hintergrundgesprächen für externe Stakeholder:innen 

Bei der Wahl der Kanäle sollte berücksichtigt werden, wo die jeweilige Zielgruppe bevorzugt Informationen aufnimmt (persönliches Gespräch, E-Mail, Social Media, Presse etc.).  

 

Konsistenz und Wahrhaftigkeit  

In unsicheren Zeiten klammern sich Menschen an verlässliche Orientierung. Nichts untergräbt Vertrauen mehr als widersprüchliche Aussagen oder das Gefühl, nicht die volle Wahrheit zu erfahren. Deshalb müssen alle Kommunikator:innen im Unternehmen mit einer Stimme sprechen. 

 

Geschwindigkeit und Taktung  

Restrukturierungen passieren unter hohem Zeitdruck. Oft vergeht zwischen den ersten Gerüchten und der offiziellen Ankündigung nur wenig Zeit, und danach überschlagen sich die Ereignisse. Entsprechend muss die Kommunikation proaktiv und zügig erfolgen, um der Gerüchteküche immer einen Schritt voraus zu sein.  

 

Einbindung der Führungskräfte und Vorbildrolle  

Das Top-Management sollte die Kommunikation aktiv steuern und nicht den externen Umständen überlassen. In Krisenzeiten schauen alle auf die Führungsspitze, die sichtbar Verantwortung übernehmen und Gesicht zeigen muss. Die Unternehmensleitung ist die wichtigste Kommunikationsinstanz nach außen und innen und sollte Botschaften persönlich vermitteln, etwa in Betriebsversammlungen, Videobotschaften oder Eins-zu-eins-Gesprächen mit Schlüsselkund:innen. Entscheider auf C-Level müssen präsent und ansprechbar sein, um Glaubwürdigkeit zu erzeugen.  

Mitarbeitende erwarten in unsicheren Zeiten das Signal, dass die Führung sich kümmert und sich auch kritischen Fragen stellt. Die Einbindung der Führungskräfte in die Kommunikationsarbeit erfordert Vorbereitung, wie Medientrainings und Q&A-Unterstützung, und stärkt massiv das Vertrauen. 

Nichts untergräbt Vertrauen mehr als widersprüchliche Botschaften. Ehrlichkeit hat oberste Priorität – selbst, wenn die Wahrheit schmerzt.

Patrick Hacker Deputy Managing Director komm.passion | Team Farner

So gelingt Kommunikation in der Restrukturierung

Wie lässt sich die Kommunikation in der Praxis erfolgreich umsetzen? Aus Erfahrung und Forschung lassen sich mehrere Erfolgsfaktoren ableiten, die in Restrukturierungsprojekten immer wieder über Erfolg oder Misserfolg entscheiden.  

 

Offenheit und Transparenz (mit Augenmaß)  

Wo immer möglich, sollten Gründe und Ziele der Restrukturierung transparent gemacht werden: Warum ist diese Maßnahme notwendig? Welche Alternativen wurden geprüft? Wie sieht die Zukunft des Unternehmens aus? Können die Stakeholder:innen die Logik der Entscheidungen nachvollziehen, reagieren sie erwiesenermaßen sachlicher und unterstützungsbereiter. Allerdings heißt transparent sein nicht, jederzeit alles ungefiltert preiszugeben. Entscheidend ist die richtige Balance. Eine gute Faustregel lautet: So viel wie möglich informieren, so wenig wie nötig zurückhalten. Voraussetzung für gelebte Offenheit in der Krise ist, dass sie bereits vorher Teil der Unternehmenskultur war.  

 

Stakeholder:innen einbinden statt nur informieren  

Kommunikation in Restrukturierungen sollte kein einseitiger Mono log von oben sein. Erfolgreiche Transformationsprojekte zeichnen sich durch die Einbindung der Betroffenen aus. Partizipation schafft Akzeptanz, und Widerstand entsteht meist gegen Veränderungen, die über die Köpfe hinweg beschlossen werden. Deshalb ist es entscheidend, Mitarbeitende mitzunehmen, sie ernst zu nehmen und aktiv einzubeziehen. Das Top-Management setzt die Richtung und definiert die Rahmenbedingungen, aber die nachhaltige Umsetzung in die tägliche Arbeit erfordert co-kreative und partizipative Maß nahmen. Dialogformate, Feedbackschleifen, themenspezifische Arbeitsgruppen und Change-Botschafter:innen ermöglichen einen gemeinsamen Weg, der mitgetragen und mitgestaltet wird. Diese Vorgehensweise fördert höheres Engagement und Loyalität und stellt sicher, dass die Restrukturierung nicht nur strategisch, sondern auch kulturell wirksam umgesetzt wird.  

 

Klarheit, Konsistenz und Orientierung bieten  

In einer Restrukturierung suchen Beschäftigte und externe Beobachtende nach Orientierung und wollen wissen, wohin die Reise geht. Eine klare Geschichte der Veränderung ist daher ent scheidend. Dieses Narrativ muss die Dringlichkeit vermitteln, eine positive Zukunftsvision aufzeigen und den Weg dorthin skizzieren, dabei jedoch stets bei den Fakten bleiben und nichts beschönigen. Übertriebener Optimismus untergräbt die Glaubwürdigkeit. Harte Einschnitte sollten offen benannt und begründet werden. Konsistenz ist wichtig, daher sollten alle Führungskräfte die gleichen Kernbotschaften verwenden, unterstützt durch abgestimmtes Wording und Q&A-Kataloge. Jede Kommunikationsmaßnahme sollte darauf abzielen, Mitarbeitenden und Stakeholder:innen Orientierung in der Veränderung zu geben: Was passiert als Nächstes? Was bedeutet das für mich? Wo steht das Unternehmen im Prozess? Kontinuierliche Beantwortung dieser Fragen hilft, Ängste abzubauen. 

 

Proaktive Kommunikation und Timing-Kontrolle  

Warten Sie nicht, bis Gerüchte entstehen – setzen Sie selbst die Agenda. Dieser Grundsatz der Krisenkommunikation ist in Restruktu rierungen besonders wichtig. Das Unternehmen sollte möglichst als erstes kommunizieren, bevor externe Quellen (Medien, soziale Netzwerke oder der Flurfunk) narrative Lücken füllen. 

Proaktive Kommunikation heißt:  

  • früh ankündigen, was angekündigt werden kann  

  • regelmäßige Updates über Fortschritte geben (selbst kleine Quick Wins aktiv kommunizieren, da deren Sichtbarmachung Vertrauen schafft)  

  • Erfolge herausstellen und auch Schwierigkeiten transparent einräumen, bevor andere sie skandalisieren.  

Dabei ist die Taktung entscheidend: Zu seltene Informationen lassen neue Unsicherheiten aufkeimen, zu häufige überfordern die adressierten Personen.