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Warum der Grat zwischen Blamage und Erfolg so schmal ist

Die TikTok-Challenge für den Mittelstand

39 Minuten im Durchschnitt*. Wenn man der offiziellen von TikTok herausgegebenen Statistik Glauben schenken mag, sind es sogar 89 Minuten in der App pro Tag. Ganz gleich, welche Zahl stimmt – es ist ohnehin die höchste durchschnittliche tägliche Nutzungszeit im Vergleich zu anderen sozialen Netzwerken. Hier wird vor allem eins deutlich: Video-Content boomt und hat seine Plattform gefunden. Als Reaktion darauf einen Unternehmens-Account erstellen und loslegen, ist allerdings keine gute Idee. Die Eingliederung von TikTok in ein Gesamtkonzept ist eine strategische Überlegung, die eine umfangreiche Analyse der Chancen und Risiken erfordert und vorab abgewogen werden sollte.

Zugegeben: Dass TikTok mittlerweile als soziales Netzwerk bei den Big Playern vollständig etabliert ist, ist keine Neuigkeit mehr. Dafür sind die Zahlen auch zu deutlich. Etwas über eine Milliarde Menschen nutzen die Video-Plattform monatlich aktiv. Zum Vergleich: Instagram weist zum heutigen Zeitpunkt etwa 1,4 Milliarden User weltweit auf. TikTok kann sich demnach nicht nur mit anderen sozialen Netzwerken messen, sondern gibt hinsichtlich der rasant ansteigenden Nutzerzahlen den Ton an.

Für Unternehmen ist das „neueste“ soziale Netzwerk mindestens genauso interessant. Bekannte, große Marken haben TikTok bereits vollständig in ihre digitale Kommunikation aufgenommen, entwickeln Konzepte, beobachten Trends und führen ein lockeres, sympathisches Community Management. Doch auch immer mehr mittelständische Unternehmen entdecken die Vorteile der Video-Plattform und damit die unbegrenzten Möglichkeiten. Neue Azubis ansprechen, Mitarbeiter:innen anwerben und sich selbst als attraktiven Arbeitgeber positionieren – auf TikTok kein Problem. Employer Branding Kampagnen lassen sich zum Beispiel auf der Video-Plattform im Handumdrehen realisieren und erreichen bei Erfolg genau die richtige junge, arbeitssuchende Zielgruppe.

Die Chancen der Plattform für Unternehmen scheinen unbegrenzt. Doch TikTok funktioniert anders als alle bisherigen sozialen Netzwerke, die wir kennen. Bisheriger Erfolg, Markenstatus oder die Followeranzahl sind hier egal. Reichweite wird allein durch die Clips an sich generiert. Creativity rules!

30.10.2023

Podcast: Trizto – Über Nacht zum TikTok-Star

Elisa Dietrich hat mit dem jungen Musikproduzenten Trizto gesprochen, der binnen weniger Stunden mit seinem selbstgeschriebenen Song „Es kracht in Buxtehude“ viral gegangen ist. Wie er das geschafft hat und was Montana Black damit zu tun hat, hat er in dieser Folge genau erklärt.

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Die TikTok Spielregeln: Wer nicht richtig spielt, ist raus!

Schnell, originär und originell – alles andere funktioniert hier nicht. Die beliebte Video-Plattform folgt einer anderen Dynamik als alle bisherigen Social-Media-Kanäle. Der dort herrschende – übrigens sehr viel spitzere – Algorithmus belohnt Inspiration, Kreativität und Viralität, straft aber klassische Werbung, Corporate Design Elemente und langweilige Inhalte gleichermaßen   – und das in einer Art und Weise, wie wir es von keinem anderen sozialen Medium kennen. Was im allseits bekannten Meta-Universe gilt, findet hier keine Verwendung. Genau das ist für mittelständische Unternehmen Chance und Risiko zugleich.

„Das kann so nicht raus, da fehlt noch unser Logo irgendwo“ – Zack, Chance vertan. Auf TikTok ist Mut gefragt, kreative Videos zu posten, ohne auf ein perfektes Design zu warten. Belohnt wird das, was inspiriert und gefällt. Nicht das, was besonders schön aufbereitet wurde. Mit ihrer Dynamik schafft die Plattform einen entscheidenden Vorteil für alle Mittelstands-Unternehmen: Flexibilität und Agilität. Während in Großunternehmen Feedbackschleifen und Absprachen fest etabliert sind, können Mittelstands-Unternehmen schneller reagieren und sich mit Hilfe von überzeugenden, kreativen Stories für ein relativ junges Publikum durchsetzen und damit sichtbar werden. 

Gleichzeitig geht mit der Videoproduktion, den Trendbeobachtungen und der Ideenfindung aber ohne Frage ein Aufwand einher, der für den Mittelstand die wohl gefährlichste Falle darstellt. Aus dem Grund greifen viele Unternehmen auf altbewährten Content zurück und begehen damit den wohl größten Fehler im Umgang mit TikTok: Content von anderen Plattformen recyclen. Werbliche Inhalte werden 1:1 übernommen und das Corporate Design auf jeden einzelnen Frame gepresst. Und damit steht fest: Man fällt in die tiefe Schlucht zu all den anderen traurigen Videos, die nie eine Person auf die For-You-Page gespült bekommen hat.  Das zeigt: Ohne Strategie ist TikTok nicht mehr als eine nette Spielerei.

Der erste Schritt sollte daher nicht das reine Verstehen der Plattform sein, um anschließend eigene TikToks zu drehen, sondern die Überlegung und Abwägung der Chancen und Risiken für das eigene Unternehmen. Wer im Anschluss an die Analyse zu dem Standpunkt gelangt, dass TikTok der richtige Kanal ist, kann zur Strategie übergehen und alle bisherigen Learnings aus anderen Social-Media-Kanälen gleich mit über Bord werfen.

Mut und Kreativität reichen für TikTok nicht aus – auch die Strukturen müssen stimmen

Hier braucht keiner lange Redaktionspläne – auf TikTok sind die User tagesaktuelle Trends gewöhnt. Schnell, schneller, TikTok. Um Erfolg zu haben, müssen also Strukturen in den Abteilungen der Unternehmenskommunikation neu gedacht werden. Das Stichwort? Agile Content-Redaktion! Weg von starren Abteilungen und Abstimmungsschleifen, hin zu einer mutigen und kreativen Redaktion, die anpassungsfähig und spontan bleibt. Offenheit und ein dauerhafter Blick auf aktuelle Themen sind Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Integration der Plattform.

Festzuhalten ist: Erfolg ist einfach, Scheitern genauso. Mittelständische Unternehmen erleben mit TikTok einen Spagat zwischen Fluch und Segen, wie es ihn bei anderen Social-Media-Plattformen noch nicht gegeben hat. Aus genau diesem Grund sollte bei der Überlegung eines Unternehmens-Accounts die erste Frage nicht das „WIE?“, sondern das „OB?“ sein. Wer TikTok für den Mittelstand verstanden hat, die Ressourcen für den Aufwand aufbringt und sich mit Mut, Kreativität und Agilität in seiner digitalen Nische platziert, hat gute Chancen, sich auf der Plattform zu etablieren und Reichweite zu generieren. Ein kleines bisschen Glück kann obendrein natürlich trotzdem nicht schaden.

* The State of Mobile 2021 - Report